Der Müllmann
Fingern, schob
ihn zusammen, steckte ihn in die Ledertasche an seinem Gürtel und schloss die
Lasche wieder.
Ich hob die Zigarette auf, die ich hatte fallen lassen, zündete sie
an und sah auf Richter herab. Dann sah ich hoch zum Himmel. Die trüben Wolken
verdeckten die Sterne, und selbst den Mond konnte man kaum sehen.
Ich habe ja meine Zweifel, ob es dich gibt, dachte ich. Aber wenn,
hast du Humor. Ich sah mich um, die Straße war ruhig und leer. Also ging ich zu
meinem Wagen zurück.
Wenigstens brauchst du diese
Leiche nicht zu entsorgen.
Wo ich recht hab, hab ich recht, dachte ich, schob meine
Lieblings-CD von Mozart ein und fuhr davon. Schließlich hatte ich noch ein
Date, das ich nicht verpassen wollte.
»So
können wir nicht weitermachen«, stellte Marietta fest und zog die Bettdecke
enger um sich. Sie sah bezaubernd aus, das Haar verwuschelt, die Art, wie sie
mich ansah. »Thomas ist nicht gerade begeistert. Und wenn es herauskommt, gibt
es ein Disziplinarverfahren gegen mich … und eine Abmahnung.«
Ich ging zu
meiner Hose, nahm die Zigaretten heraus, öffnete das Fenster und lehnte mich an
das Fenstersims. Der Sommer hatte noch nicht ganz Einzug gehalten, die
Nachtluft war recht kühl, und ich war froh darum.
»Warum gehst du dann das Risiko ein?«, fragte ich sie.
Sie setzte sich auf, klemmte sich das Kissen hinter den Rücken und
musterte mich nachdenklich. »Das frage ich mich andauernd selbst. Vielleicht,
weil es damals keinen Abschluss gab?«
»Wir wollten beide Karriere machen«, erinnerte ich sie. »Du wolltest
in Darmstadt studieren, ich ging zur Bundeswehr. Wenn ich mich richtig
erinnere, haben wir uns gegenseitig versichert, dass es uns leidtut, aber es
wichtiger wäre, sich um die Zukunft zu kümmern.« Ich sah dem Rauch nach, wie er
zum Fenster hinauszog.
»Die Zukunft«, seufzte sie und zog die Knie an, um die Arme um sie
zu schlingen. »Wir waren fürchterlich verliebt damals. Bis zum Ende. Dann
musste ich ausziehen … und dann war es vorbei.«
»Ich hab versucht anzurufen«, erinnerte ich sie. »Du bist einmal
drangegangen und hast mir gesagt, ein harter Schnitt wäre besser.« Ich zuckte
mit den Schultern. »Hat mir nicht gefallen, aber es war ja deine Entscheidung.«
Gut so. Zeig ihr, wie egal es dir
war. Gib auf keinen Fall zu, dass du gelitten hast wie ein Schwein. Oder dass
du zweimal vor ihrer Tür gestanden hast und einfach nicht den Mumm hattest, zu
klingeln.
Vielleicht auch besser so.
Das war Ironie, du Depp.
»Du hast mir gefehlt«, gestand ich zögernd. »Ich weiß noch, dass ich
gedacht habe, wir könnten es noch einmal probieren, wenn du mit dem Studium
fertig bist. Doch dann war ich schon beim BND, und es war abzusehen, dass das
keine solide Grundlage für eine Beziehung sein würde. Ich habe später noch
versucht, dich zu finden, aber es gelang mir nicht.«
Sie schmunzelte ein wenig. »Du warst beim Nachrichtendienst und konntest
nicht mal herausfinden, wo deine alte Freundin wohnt?«
»Wie war es denn bei dir?«, konterte ich. »Du bist bei der Polizei.«
»Als du zurückgekommen bist, habe ich es am selben Tag noch
erfahren.« Sie lehnte sich im Kissen zurück. »Krieg ich auch eine?«
»Ich dachte, du rauchst nicht mehr?«, fragte ich überrascht.
»Ist ja auch so«, meinte sie und nickte dankend, als ich ihr Feuer
gab und den Aschenbecher aus dem Schränkchen holte. »Es gibt Gelegenheiten, da
fehlt es einem. Beispielsweise nach heißem hemmungslosem Sex.« Sie seufzte.
»Ich befürchte, ich bin dabei, eine riesengroße Dummheit zu begehen. Du bist
nicht mehr der gleiche Mensch wie damals, Heinrich.«
Da hat sie recht.
Leider.
»Also sollten wir es lassen?«, fragte ich sie leise.
»Gott«, fluchte sie. »Ich will wissen, was du willst! Du bist doch
der James Bond von uns beiden … und wenn ich nicht die Initiative ergriffen
hätte, hättest du mich vorgestern Abend gehen lassen! Wieder einmal.« Sie sah
mir direkt in die Augen. »Warum hast du es damals einfach so hingenommen? Du
hast nicht einmal um mich gekämpft! Ich teile dir mit, dass ich studieren werde
und nicht mit nach Hamburg komme, du sitzt da, überlegst eine Sekunde lang und
sagst, o.k. Das war alles!«
Ja. Das war alles gewesen. Abgesehen davon, dass eine Welt für mich
zusammengebrochen war.
»Es war eine vernünftige Entscheidung«, meinte ich und drückte meine
Zigarette aus. »Es war auch ein wenig viel verlangt, dass du deine Zukunft aufgibst,
nur um mit mir nach Hamburg zu
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