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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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Plan A oder B. Deshalb war ich heute auch etwas früher dran, ich
wollte den feinen Herrn Richter auf dem Weg zur Kneipe abpassen, bevor er sich
wieder besoff und nichts mehr mitbekam.
    Ich öffnete
das Handschuhfach, nahm die stabilen Handschuhe heraus, die sich für
unangenehme Arbeiten so gut eigneten, und ging zu dem alten Umspannturm, um
meine Verabredung mit Herrn Richter einzuhalten.
    Dafür, dass er ein Säufer war und nichts von unserer Verabredung
wusste, dachte ich, als ich die Handschuhe anzog und zusah, wie Herr Richter
die Straße herunterkam, war der Kerl richtig pünktlich. Am Ende führte er sogar
ganz penibel einen Terminkalender. Sinnlos fernsehen, Frau verprügeln, trinken gehen.
    Als Richter nahe genug war, trat ich aus dem Schatten hinter dem
alten Umspannturm heraus und hielt eine Zigarette hoch.
    »Guten Abend, Herr Richter«, begrüßte ich den Frauenschläger
höflich. »Haben Sie mal Feuer für mich?«
    »Klar …«, begann der, bevor ihm dämmerte, dass irgendetwas nicht so
ganz richtig lief. »Sagen Sie, kennen wir uns?«, fragte er, während er sein
Feuerzeug rausfischte.
    »Nein«, meinte ich ruhig. »Aber wenn Sie Ihre Frau noch einmal grob
anfassen, dann lernen wir uns kennen.« Ich blies die Flamme aus. »Das ist die
letzte Warnung.«
    Cool. Hör auf, dir diese
beschissenen Filme reinzuziehen!
    Ein paar davon waren gar nicht so schlecht.
    Ein paar. Mag sein. Zwei. Von
Hunderten.
    »Hey!«, beschwerte sich Richter. »Wie sind Sie denn drauf? Sie
können doch nicht auf offener Straße …«
    »Und wie ich kann«, meinte ich drohend und zog mir die Handschuhe
zurecht.
    Das war der Moment, in dem Richter der Ansicht war, einen
folgenschweren Fehler begehen zu müssen.
    »Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wie ich die Schlampe zu
behandeln habe«, fauchte er. »Du hast ja keine Ahnung, wie mich diese Hure verarscht
hat!« Er griff an seinen Gürtel und zog einen Zylinder hervor und verwandelte
diesen mit einer Handbewegung in einen Metallschlagstock. »Aber von mir aus
kannst du gern Prügel beziehen!«
    Das gibt’s doch nicht, dachte ich. Läuft denn heutzutage jeder Depp
bewaffnet herum?
    Ist gefährlich heutzutage. Es ist
dunkel, die Gegend ist um diese Uhrzeit menschenleer, und du bist auch da.
Irgendwie würde ich sagen, dass er seine Gründe hat.
    Klasse, dachte ich. Jetzt ergreift mein Unterbewusstsein auch noch
Partei für ihn.
    Ich bin nur ein stiller
Beobachter. Vor allem still.
    »Das könnte jetzt ein Fehler sein«, teilte ich dem aufgebrachten
Mann mit und beobachtete aus den Augenwinkeln den Schlagstock. Waren die
überhaupt noch legal? Aber jetzt war auch klar, wieso Ludwigs Schwester so oft
im Krankenhaus landete. So ein Knüppel konnte echt mörderisch sein! »Wir
sollten ruhig bleiben …«, schlug ich vor und hob entschuldigend die Hände.
    »Von wegen«, knurrte Richter. »Mir drohen und dann kneifen? Gibt’s
nicht. Dafür gibt’s jetzt was auf die Schnauze!«
    Der Kerl mochte ein Säufer sein, der sich selbst zu gerne reden
hörte, aber offensichtlich kannte er sich aus: Hätte sein erster Schlag
getroffen, hätte mein Ellenbogen etwas Urlaub in Gips bekommen, und das hätte
mir ordentlich den Tag versaut. Ganz zu schweigen von dem, was ich nachher noch
mit Marietta vorhatte.
    So weit kam es aber nicht, denn ich stand ja nicht einfach nur dumm
herum, um mich vermöbeln zu lassen. Ich trat zur Seite und griff, wie
hundertmal geübt, nach dem Arm des wütenden Säufers – nur dass der nicht dort
war, wo er sein sollte, denn irgendwie hatte Richter nicht mit meinem Ausweichmanöver
gerechnet und war ins Straucheln gekommen. Oder er hatte sich den Fuß umgeknickt,
so genau konnte ich das auch nicht sagen. Machte aber keinen Unterschied.
    Denn ich sah nur noch, wie Richter formvollendet an mir
vorbeitaumelte, mit dem Kopf an die Ecke des alten Umspannturms schlug und dann
zu Boden rutschte. Und still lag.
    Ein Blick reichte mir, um zu erkennen, dass Richter sich das Genick
gebrochen hatte. Er sah mit weiten Augen zu mir hoch, bewegte die Lippen … und
dann röchelte er ein wenig und lag still. Ich sah auf ihn herab und stieß ihn
mit der Fußspitze an. Keine Reaktion.
    So viel zu den guten Vorsätzen.
    Nein, widersprach ich. Das war Schicksal. Und Brockhaus konnte es
egal sein, wieso Richter tot war. Nur für mich machte es einen Unterschied.
Einen großen, wie ich zu meiner Überraschung feststellte.
    Ich nahm dem Mann den Schlagstock aus den schlaffen

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