Der Müllmann
Ich denke, er ist ein Auftragskiller. Es war keine
Handlung im Affekt, der Typ war ganz entspannt. Es ist bestimmt nicht sein erstes
Mal gewesen, und um so eine Show abzuliefern, muss er eine Schraube locker
haben. So etwas macht man einfach nicht.«
»Zumindest nicht in Deutschland«, pflichtete er mir bei. »Also suche
ich nach jemandem, der so einen Mist schon mal irgendwo durchgezogen hat.
Kannst du mir noch etwas über den Kerl sagen?«
»Er hat Lucio zweimal in die Stirn geschossen. Mit einer kleinen
7.65er Walther mit Schalldämpfer.«
»Die Knarre von James Bond?«
»Genau die. Ich wette, es ist seine Signatur.«
»Ich werde mich darum kümmern. Ich sag dir nur jetzt schon, dass es
nicht so einfach sein wird. Was du wissen willst, findet sich, wenn überhaupt,
nur in den Datenbanken von Interpol oder denen der Geheimdienste. Vielleicht
auch beim BKA. Da muss sogar ich etwas vorsichtig sein. Das kostet mehr.«
»Ich weiß.«
Er behauptete immer, dass er für mich Sonderpreise machte. Wenn dem
so war, wollte ich gar nicht wissen, was seine Dienstleistungen normalerweise
kosteten. Aber er ging ja auch ein Risiko ein. Wenn sie ihn erwischten, würden
sie ihn einsperren und die Schlüssel wegwerfen. Der Staat sah es nicht gerne,
wenn jemand in seinen Daten schnüffelte. Brockhaus sah das anders. Er meinte,
er würde sich nur darum kümmern, die Balance auszugleichen.
»Der Staat überwacht uns, wo er kann. Natürlich zum Wohle aller.
Also kann es doch gar nicht so schlimm sein, wenn ich den Spieß umdrehe. Dient
ja meinem Wohl. Und das meiner Brieftasche.«
Deshalb mochte ich Brockhaus. Er war ehrlich und verlor nie den Sinn
fürs Wesentliche. Und was seine Paranoia anging … wer wusste schon, ob er damit
übertrieb oder nicht. Wenn nicht die Geheimdienste Daten sammelten, dann der
Staat, die Polizei oder die Finanzbehörden. Und wenn nicht die, dann schlicht
und einfach die Wirtschaft, die sich sowieso wenig an die Gesetze gebunden
fühlte und meistens einfach machte, was sie wollte.
»Was ist mit der Sache, um die ich dich gebeten habe?«, fragte er
jetzt. »Hast du dich schon entschieden?«
»Ich bin dran. So etwas will wohlüberlegt sein, Ludwig.«
»Ich würde dich nicht darum bitten, wenn es einen anderen Weg gäbe,
Heinrich. Der Kerl ist ein Güteklasse-A-Arschloch. Ich schwöre dir, er bringt
sie um. Er hat schon eine seiner Freundinnen auf dem Gewissen.«
»Du hast keine Beweise dafür«, versuchte ich abzuwiegeln. Obwohl ich
zugeben musste, dass es aussah, als hätte er mit seiner Befürchtung recht.
»Seit wann brauchst du Beweise?«, fragte Brockhaus. »Rede dich nicht
raus. Du weißt, dass ich recht habe! Kümmere dich darum. Bitte. Ich geb dir
auch einen Preisnachlass.«
»Darum geht’s nicht.«
»Ich weiß. Trotzdem. Bitte.«
»Ich hab dir’s doch schon versprochen, Ludwig.«
»Ja«, sagte er, und jetzt hörte ich ihn wieder seufzen. »Nur hat er
sie schon wieder ins Krankenhaus geprügelt. Ich habe einfach Angst um sie.«
»Ich kümmere mich darum«, versprach ich.
»Ich habe außer dir niemanden, den ich um Hilfe bitten kann«, fügte
er leise hinzu. »Bitte, lass dir nicht zu viel Zeit. Bevor ihr noch etwas
geschieht.«
Ich legte langsam auf. Nach der Sache in Bosnien hatten wir uns nie
wiedergesehen. Aber es verbindet einen halt, wenn man vier Tage lang zusammen
am selben Fleischerhaken hängt und in dieselbe Pfütze blutet. Dennoch gefiel
mir die ganze Sache mit dieser Frau ganz und gar nicht. Ich verstand einfach
nicht, was es ihn anging.
Ich grübelte kurz und ging rüber in die Garage, um meine alte Honda
zu holen. Mal schauen, was bei Lucio so los war.
Eine Menge, wie ich später sah. Er hatte sich einen kleinen Bungalow
gegönnt, nur mit dem Nötigsten ausgestattet, solche Kleinigkeiten wie eine
Dreifachgarage, jeweils ein Swimmingpool drinnen und draußen und noch eine
Sauna. Was man halt so für kleine verschwiegene Partys braucht. Und natürlich
eine Mauer, die das Gelände vor den neugierigen Blicken der Nachbarn abschottete.
Jetzt hatten die genug zu sehen, vor allem blaues Licht. Heute Nacht konnte ich
es jedenfalls vergessen, dort mal die Lage zu sondieren, es sah so aus, als
würde die Polizei noch lange brauchen.
Marietta war auch da. Sie sah sogar zu mir herüber. Mehr als meine
alte Honda und den schwarzen Helm konnte sie wohl kaum sehen, außerdem war es
dunkel. Und dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich erkannt
hatte.
Hat sie
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