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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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anderen fast
schon züchtig gekleidet sei, ich ein alter Spießer wäre und es mich einen
feuchten Kehricht anging.
    In gewissem Sinne hatte sie recht. Ginge es nach mir, würde sie eine
Burka tragen, bis sie einundzwanzig war, oder noch besser, ich würde sie im
Haus einschließen. Oder jedes männliche Wesen an der Tür mit der Schrotflinte
empfangen.
    »Ich brauche Geld!«, eröffnete sie das Gefecht und ihr Blick zeigte
mir, wie sehr es ihr stank, danach fragen zu müssen.
    »Schon wieder?«, fragte ich. Sie bekam dreißig Euro Taschengeld in
der Woche, dazu noch Spritgeld für den Roller. Beides hatte sie vorgestern, am
Sonntag, bekommen.
    »Ja, schon wieder!«, knirschte sie. »Der Roller ist leer.«
    Weil sie, seitdem sie das Ding hatte, so viel damit herumfuhr, dass
man hätte meinen können, sie würde sich darauf vorbereiten, die ganze Welt zu
umrunden.
    »Andrea bekommt für jede Eins fünfzig Euro!«, erklärte sie. »Du
willst doch, dass ich gute Noten schreibe, warum machst du das nicht?«
    Ich hatte keine Ahnung, wer Andrea war. »Weil du nicht für Geld gute
Noten schreiben sollst, sondern für dich.«
    »Das Geld wäre ja für mich«, argumentierte sie. Ich musterte sie. Es
war leicht, mich über sie zu beschweren, vielleicht verlangte ich zu viel von
ihr, aber es änderte nichts daran, dass ich stolz auf sie war. Sie rauchte
nicht, trank nicht, nahm keine Drogen, und abgesehen davon, dass sie sich
kleidete, als wäre sie im vorletzten Jahrhundert gestorben, war sie ein gutes
Mädchen … und manchmal konnte ich platzen vor Stolz. Und wenn sie so wie jetzt
dastand, sah ich ihre Mutter in jeder trotzigen Linie, und mir wurde ganz klamm
ums Herz. Elisabeth war ihre Mutter, aber ich hätte Ana Lena auch nicht mehr
lieben können, wenn sie meine eigene Tochter gewesen wäre.
    Doch das Thema »Geld für Noten« hatten wir schon abgehakt, hier
steckte mehr dahinter.
    »Was ist passiert?«, fragte ich sie.
    Einen Moment lang konnte ich ihre Gedanken lesen. Sie wollte es
nicht sagen, aber sie wollte das Geld und außerdem … Diesmal war sie es, die
seufzte.
    »Gestern Abend war ich in der Disco«, sagte sie. Ich nickte, soweit
hatte ich mir das schon gedacht.
    »So ein Typ kam und hat mich eingeladen. Ich wollte das nicht und
habe darauf bestanden, den Drink selbst zu bezahlen.« Sie fuhr mit der linken
Hand durch ihr verwuscheltes Haar und blies sich eine Haarsträhne aus dem
Gesicht. »Der Kerl ist stinkreich und sieht verboten gut aus. Er fährt einen
Mercedes. Aber ich wollte mich nicht einladen lassen, und der Drink hat
zweiundzwanzig Euro gekostet … und ich habe ihn nicht mal getrunken!«
    Es gab eine Sache, die ich an Ana Lena sehr schätzte. Gut, mehrere
Sachen. Eine davon war, dass sie nicht log. Sie verschwieg Dinge oder hielt sie
zurück, aber sie log nicht.
    »Hast du Probleme mit dem Kerl?«, fragte ich und überlegte mir, ob
ich nicht doch besser eine Schrotflinte an die Tür stellen sollte. Für den Fall
der Fälle.
    »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Er ist der Meinung, er
wäre Gottes Geschenk an die Weiblichkeit, und scheinbar kriegt er auch jede
rum. Ein arrogantes Arschloch. Ich weiß nicht mal, was er von mir will!«
    Das hätte ich ihr sagen können, wäre es nicht ein weiteres Minenfeld
gewesen. Nächsten Monat wurde sie siebzehn. Ich gab gerne zu, dass ich voreingenommen
war, aber sie war eine Schönheit. Wie ihre Mutter auch. Es gab heute nicht
weniger Arschlöcher als früher, eher schienen sie mir zuzunehmen, und mir zog
es das Herz zusammen, als ich an Elisabeth dachte. Wieder fragte ich mich, ob
es eine gute Idee war, bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag zu warten, bevor ich
Ana Lena die ganze Geschichte erzählte. Ich hatte es mir fest vorgenommen, aber
es gab kaum etwas auf der Welt, vor dem ich so sehr Angst hatte wie vor diesem
Tag.
    »Er ist ein bisschen aufdringlich, aber ich kann Nein sagen«, fuhr
sie fort. »Anders als …« Sie brach ab.
    »Ja?«
    »Man muss es ihm deutlich sagen«, erklärte sie und kaute an ihrer
Unterlippe herum. »Sonst versteht er es nicht.«
    Ich wollte etwas sagen, doch sie stoppte mich. »Ich bin fast
erwachsen und weiß, was ich tue. Ich bin nicht dumm. Außerdem weiß ich, was mit
Mama geschehen ist.«
    Mir stockte das Herz. Sie konnte doch nicht … »Ich werde bestimmt
nicht auf so einen Idioten hereinfallen und mich schwängern lassen!« Sie sah
mich trotzig an. »Das Spritgeld ging für den verdammten Drink drauf.

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