Der Müllmann
verworfen.«
»Warum sollte er?«, fragte Ludwig. Ich erzählte ihm, was Ana Lena
geschehen war.
»Scheiße«, stellte er fest. »Ich … es tut mir einfach leid.«
Ja. Mir auch.
»Bei Muller ist auch etwas faul, ich weiß nur noch nicht, was genau.
Er hat zu wenig Kosten beim Finanzamt abgesetzt.«
Was an einem schlechten Buchhalter liegen konnte. Bernd beging
denselben Fehler ja auch wieder jedes Mal aufs Neue.
»Wie auch immer«, sprach Ludwig weiter. »Es ergibt keinen Sinn, dass
ein Stadtrat kurzfristig einen Kontakt zu einem Auftragskiller herstellen kann,
der ganz zufällig in der Stadt ist. Wenn bei Muller senior etwas faul ist, hat
er es bisher gut verstecken können, was darauf hinweist, dass er nicht blöde
ist. Wenn sein Sohn wegen Vergewaltigung angezeigt wird, wäre es klüger
gewesen, einen guten Anwalt anzurufen als einen Auftragsmörder.«
Womit er recht hatte. Bei einer Vergewaltigung war er nach ein paar
Jahren wieder draußen, wenn er nicht sogar nur mit einem Schlag auf die Finger
davonkam. Mord war ein anderes Kaliber.
»Fakt bleibt«, fuhr Ludwig fort, »dass Muller in den letzten zehn
Tagen viermal mit Horvath telefoniert hat. Seine Nummer war übrigens die erste,
die Horvath angerufen hat. Noch am Tag seiner Ankunft. Außerdem war Muller
Lucios Kunde. Seiner Kreditkartenabrechnung nach hat Muller in den letzten neun
Monaten viermal Beratungskosten in Höhe von sechs- bis siebenhundert Euro an
Lucio bezahlt.«
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie diese »Beratung« ausgesehen
hatte. Mittlerweile war mir auch klarer, warum man Lucio hatte umlegen müssen.
Er hatte ja wirklich überall mit dringesteckt.
»Was hast du über diesen Horvath?«, fragte ich.
»Noch nicht viel. Er hat in Südamerika gearbeitet, und ja, es ist
sein Stil, solche Auftritte hinzulegen. Aber nach den Daten, die ich von ihm
habe, hat er bei seiner Mutter gelebt. Und die hat den Namen des Vaters nicht
angegeben. Was Gernhardts Geschichte nicht unmöglich, aber weniger
wahrscheinlich macht. Ich habe noch herausgefunden, dass er in Ungarn
Betriebswirtschaft studiert und das Studium im fünften Semester abgebrochen
hat. Danach hat er zumindest unter seinem eigenen Namen keine Spuren mehr
hinterlassen. Bei Achim Krüger ist das anders. Wenn es eine falsche Identität
ist, dann ist es eine gute. Oder Horvath benutzt sie schon seit Jahren. Aber er
wird mit den neuen biometrischen Ausweisen ein Problem bekommen, wenn die
Fingerabdrücke verglichen werden.«
»Welche Probleme er bekommen wird, interessiert mich jetzt wenig.
Kannst du anhand der Telefonverbindungen herausfinden, wo er sich rumtreibt?«
»Oh«, meinte er. »Das ist einfach. Er wohnt im Elbhotel am Bahnhof.
Zimmer dreihundertzwölf. Er hat kurz nach seiner Ankunft dort eingecheckt. Ich
habe ein Scan seines Ausweises im Hotelcomputer gefunden. Viele Hotels arbeiten
mittlerweile zusammen und verwenden dasselbe Buchungssystem. Eines, das ständig
online ist. Und, wenn du mich fragst, nicht besonders sicher.«
Ich spürte, wie sich mein Puls beschleunigte.
Das ist zu einfach.
»Wenn du ihn so schnell gefunden hast, wieso hatte Gernhardt dann so
wenig über ihn? Der Tipp stammt doch von ihm?«
»Frag mich was Leichteres. Rein theoretisch könnte es daran liegen,
dass selbst der BND um Erlaubnis fragen muss, um fremde Datenbänke zu durchsuchen.
In der Praxis glaube ich nicht daran, dass sie fragen müssen. Eher denke ich,
dass sie alle überall ihre Finger drin haben. Hätte ich auch. Hotelcomputer
lohnen sich, jeder muss irgendwo schlafen. Auch Spione und Verbrecher. Ohne
Gernhardts Hinweis wäre es schwieriger gewesen, aber wenn man einen Namen hat,
wird es einfach. Oder aber es ist eine falsche Fährte. Ich hab das auch schon
so gemacht, mich in mehreren Hotels einzubuchen und einen Köder auszulegen, um
zu sehen, ob jemand drauf reinfällt. Alleine schon um zu testen, ob die
Identität kompromittiert ist.«
Ja. Das eine oder andere Mal hatte ich es auch so gehandhabt.
»Also kann es eine Falle sein?«
»Das fragst du mich? Ich gehe grundsätzlich von so etwas aus. Ich
hab dir eben den Scan von seinem Ausweis gemailt. Das Bild passt zu Horvath,
die Gesichtserkennung sagt, dass er es mit zweiundsiebzig Prozent
Wahrscheinlichkeit auch ist. Ich versuche gerade herauszufinden, ob er unter
anderem Namen irgendwo anders abgestiegen ist. Aber es gibt genügend Pensionen
oder Hotels, die noch nicht vernetzt sind. Wäre ich an seiner Stelle, hätte ich
mich
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