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Der multiple Roman (German Edition)

Der multiple Roman (German Edition)

Titel: Der multiple Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Thirlwell
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dass Beckett Joyce sehen sollte. Die Joyces machten sich danach auf den Weg nach St. Gérard. Im Januar 1941 starb Joyce in Zürich.
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    Was für Beckett folgte, war eine gewisse Art des Wahnsinns: der verzweifelte Versuch, sein Ideal des verarmten Schreibstils prägnant zu definieren. In den 1950 er Jahren, als er bereits berühmt war, definierte er dieses Konzept auf bewusst entropische Weise als »die Anstrengung, notwendigerweise eine kraftlose, das Nichts auszudrücken. Es scheint sich eher um eine Reise gehandelt zu haben, eine nicht umkehrbare, bei der Dinglosigkeit angesammelt werden sollte, in ihre Richtung. Oder auch. Oder ergo.« [622] Oder, dieser späteren Definition zufolge: »Ästhetisch gesehen ist das Abenteuer ein Abenteuer der gescheiterten Form (keine erreichte Aussage über die Unmöglichkeit des Seins).« [623]
    Aber diese Grandiosität hat ihren ganz eigenen Hintergrund. Im März 1948 , als er bereits die
Nouvelles
,
Mercier und Camier
,
Premier Amour
, das Theaterstück
Eleutheria
sowie seinen Roman
Molloy
geschrieben und
Malone stirbt
begonnen hatte, schrieb Beckett an McGreevy: »Ich sehe endlich klarer,
worum
es mir in meinen letzten Texten geht und habe, meinem Gefühl nach, vielleicht 10  Jahre Mut und Energie in mir, um die Sache zu erledigen.« [624] Dieses Wort,
worum
, war natürlich ein schwieriges Wort für Beckett. Er versuchte verzweifelt, etwas so Luxuriöses wie das
Schreiben
zu vermeiden. (»Aber ich beginne mit dem Schreiben«, sollte er entschuldigend am Ende eines Briefes vom 11 . August 1948 an Duthuit konstatieren.) Anstelle von allem Abgeschlossenen und Darstellenden zog er »einen sich selbst verschlingenden, sich ewig reduzierenden Gedanken« vor. [625] Seine Anstrengungen, diese Abstraktion auf abstrakte Weise zu beschreiben, nahmen Beckett vollständig ein. Und dies führte dazu, dass er sich mit der abstrakten Kunst auseinandersetzte.
    Im Mai 1948 schrieb er über die Malerei der van Veldes in »Les Peintres de l’empêchement«, wobei er ein ambitioniertes Ziel verfolgte. Er wollte versuchen, die Welt aufzulösen. Die Geschichte der Malerei, schrieb er, sei die Geschichte ihrer Verhältnisse zu den Objekten. So weit, so gut, dies lässt sich nicht leugnen. Aber die tiefgehende Problematik lag darin, dass sich ein dargestelltes Objekt, oder die Welt, immer der Darstellung zu entziehen versucht. Und dies stellt ein Paradox dar. Es kann keine vom Objekt befreite Malerei geben – das Wesen der Malerei ist die Objekthaftigkeit. Aber was lässt sich überhaupt darstellen, wenn es gleichzeitig das Wesen des Objekts ist, sich der Darstellung zu verweigern? [626] Die Lösung, schreibt Beckett, bestehe schlichtweg darin, die Umstände dieser Verweigerung darzustellen – jene zwei Instanzen, die einer wahren Darstellung im Wege stehen können: das Objekt und das Auge. Vor der Krise der Moderne nahmen die Künstler diese Einschränkungen einfach zur Kenntnis. Sie wurden nie als Teil der Darstellung angesehen. Während diese Einschränkungen hier, so Becketts Argument, in den Gemälden der van Veldes endlich zu einem Teil des Gegenstands gemacht worden waren: Der Gegenstand der Malerei war die Behinderung der Malerei. Die Künstler weigerten sich, den
vieux rapport
als etwas Gegebenes hinzunehmen –, das alte Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt. [627]
    Das ist eine verquere Art, Becketts Projekt zu beschreiben: eine literarische Abstraktion. Aber sein starker Fokus auf die Malerei beweist auf gewisse Weise eine melancholischere Wahrheit. Es kann keine abstrakte Literatur geben (und es ist nicht einmal sicher, ob es abstrakte Kunst geben kann …). Und so war sein Projekt von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn keine Form des Schreibens kann
le vieux rapport sujet-objet
völlig auflösen: genauso, wie kein Kunstwerk ein reines Nichts schaffen kann: »vergeblich strebt man eine völlige Abwesenheit von Gestalt an.« [52]
    Im folgenden Jahr, 1949 , schrieben Beckett und Duthuit ihre
Three Dialogues
über die Kunst von Tal Coat, Masson und Bram van Velde. Aber das wirkliche Thema war natürlich Beckett selbst. Denn es war Beckett, nicht Masson, der »buchstäblich von dem grausamen Dilemma des Ausdrucks aufgespießt« zu sein schien. [628] Genauso wie es auch Beckett war, der von einer Kunst träumte »die sich nicht von ihrer unüberwindbaren Mittellosigkeit aus dem Konzept bringen lässt und zu stolz ist, als dass sie sich auf die Farce des Gebens und

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