Der multiple Roman (German Edition)
Befürworter aller verrückten Vorstellungen, die so herumschwirren – Vorstellungen von Imitationen, Adaptionen, Variationen – damit beginnen, sich mit Nabokovs Pony anzulegen.
Mein eigener kleiner Beitrag zu dieser Frechheit beträfe den Titel. Eine direkte englische Transliteration des kyrillischen Skripts, Евгений Онегин, würde so etwas ergeben, wie »Yevgéniy Onyégin«. Zufälligerweise existiert im Englischen der Name Eugene – der sich heute allerdings furchtbar antiquiert anhört, wie aus einer anderen Ära. Tatsächlich entstammt er den amerikanischen 1920 ern. Er geht also gerade so durch, als Ersatz für den im Russischen viel normaleren Namen »Yevgéniy«. Wobei es im Englischen dagegen den Nachnamen Onegin nie geben hat und nie geben wird, von Onyégin ganz zu schweigen. Nabokovs
Eugen Onegin
hat deswegen ein seltsam transatlantisches Flair und macht einen Spagat über zwei Kontinente und zwei verschiedene Theorien der Umwandlung von Worten: Genau wie Pierre Menards
Quijote
ergibt dies eine unmögliche Kreuzung, die gleichzeitig Imitation und Transliteration ist.
3
Ja, sogar Namen sind schwierig. Nicht einmal Namen können wörtlich übersetzt werden.
Der Held von Nikolai Gogols Geschichte (oder Novelle, oder kurzer Roman) mit dem Titel
Der Mantel
– den Gogol auf Russisch schrieb während er in Rom lebte – heißt Akaki Akakiewitsch Baschmatschkin. Auch dieser Name – dieser
Name
! – muss übersetzt werden. Dieser Name muss dem Leser immer dann mahnend erscheinen, wenn er Hoffnung schöpft, dass das Übersetzen eine einfache Angelegenheit ist.
In Gogols
Der Mantel
bekommt die Mutter von Akaki Akakiewitsch Baschmatschkin diverse Namensvorschläge für ihr neugeborenes Baby, die sie aber alle ablehnt. Stilistisch bilden diese Namen ein Crescendo, ein Accelerando. Die ersten drei Namen sind Mokia, Sossia und Chosdadat. Dann werden der Mutter Trefilius, Dula und Barachassius angeboten. Aber sie lehnt auch diese ab. Als ihr letztendlich Pawsikachius und Bachtissius vorgeschlagen werden, reißt ihr verständlicherweise der Geduldsfaden, und sie entscheidet sich dafür, die Sache zu vereinfachen. Sie gibt dem Baby den Namen seines Vaters – Akaki, woraus dann Akaki Akakiewitsch wird – Akaki, Sohn von Akaki. [62] Gogol gab sich Mühe mit den Namen seiner Helden. Akakis Name, das normalste Element im Zusammenhang dieser Geschichte, ist nicht übersetzbar, weil dieses Konzept der Namensgebung im Russischen die Grundlage von so vielen Witzen ist, die es in anderen Sprachen nicht gibt. Die Geschichte von
Der Mantel
dreht sich um die gewöhnlichste aller Figuren – einen Kopisten. Er ist wirklich nicht originell, Akaki. Und genauso ist
Der Mantel
eine Geschichte, deren Musik aus den kleinen Wörtern stammt – jenen kleinen Wörtern, die normalerweise genauso unbemerkt bleiben wie Akaki selbst. Da ist beispielsweise das russische Wort как. Es gibt viele mögliche Übersetzungen von как. Die einfachste ist »wie«, obwohl es gelegentlich auch »was« sein kann. Es ist eines der kleinsten Wörter – das am häufigsten überbeanspruchte, das am wenigsten individuelle. Sein engster Verwandter in der Welt der Wörter ist как, was »so« oder »auf diese Weise« bedeutet. Und der »ak«-Laut, den diese Wörter teilen, erscheint in Akaki Akakiewitschs gestammelten Vornamen. Er ist ein Partikel. Er ist die einfachste linguistische Einheit, die es gibt. Noch seltsamer ist, dass es ein Wort ist, das auch in Akakis aufgewühlter Sprache immer wieder auftaucht.
Vishel na ulitsu, Akaky Akakievich bil kak vo sne.
– Eta kovo-to delo eta koe […] – tak vot kak ! Nakonets vot chto vishlo, a ya, pravo, sovsem i predpologat ne mog, chtobi ono bilo etak . – […] – Tak etak -to! Vot kak oe uzh, tochno, ni kak neozhidannoe, tovo … etovo bi ni kak … e tak oe-to obstoyatelstvo! [716]
In jeder anderen Sprache werden sein Name und seine Sprache in einem unschuldigen Verhältnis zueinander stehen. Während Gogol sie zur gleichen Sache machte. Aus diesem Grund war es keine normale Welt, und trotzdem schien diese Welt normal zu sein: die sprachliche Welt, die Gogol schuf. Deshalb denke ich, dass eine gute Übersetzung trotzdem immer das Risiko eingehen wird, eine unpräzise Übersetzung zu sein – ihr Schöpfer wird die Form übersetzen und nicht den Inhalt und einen neuen Namen für Akaki finden. Im Kontext dieser Geschichte über Akaki könnte es sich
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