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Der multiple Roman (German Edition)

Der multiple Roman (German Edition)

Titel: Der multiple Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Thirlwell
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welches dem des Schwebens am verwandtesten ist. Er, der geschmeidigste Autor, teilt auch seinem Leser etwas von dieser Geschmeidigkeit mit.«
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    In Paris freundete sich Sterne mit Crébillon
fils
an – dem Autor von eleganten, erotischen, verspielten Kurzromanen. Die beiden wurden so gute Freunde und verstanden die Schreibprojekte des jeweils anderen so gut, dass sie gemeinsam einen geistreichen Plan ausheckten, eines der größten verschollenen Experimente in der Geschichte des Romans: Crébillon sollte in einem Brief die »Unschicklichkeiten von T. Shandy« attackieren, worauf Sterne reagieren sollte, indem er seinerseits »Gegenanschuldigungen ob der Freizügigkeiten« in Crébillons Romanen erhöbe. Die beiden Briefe sollten dann gemeinsam gedruckt und verkauft werden, wobei sich die beiden Verfasser den Gewinn teilen wollten.
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    Und dieses Thema besitzt ein ganz eigenes Motiv. Während er nämlich versuchte, ein Äquivalent für Sternes englisches Wort
hobby-horse
zu finden, führte Frénais das französische Wort
dada
ein – ein Wort, das Richard Huelsenbeck, Hugo Ball und Tristan Tzara 300  Jahre später zufällig in einem französischen Wörterbuch finden sollten, als sie versuchten, ihre polyglotte, internationale Bewegung zu taufen, die besessen war von schlechten Reproduktionen, Verspieltheit, und Defekten: von der absoluten Formlosigkeit.
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    Wie die winzigen Genauigkeiten, die Eugen Onegin auffallen: »vor Froststaub silbert/sein Biberkragen«; oder »noch liegen die müden Lakaien/auf Pelzen nahe dem Eingang im Schlaf«; oder das Blut, das »dampfend« aus der Wunde floss; oder diese Beschreibung von Eugens Ankleidezimmer, mit ihrer Struktur der Winzigkeiten, der Nützlichkeiten: »Parfums in geschliffenem Kristall,/Kämmchen, kleine Stahlfeilen,/gerade Scheren, gekrümmte/und dreißigerlei Bürsten …« Onegin ist, wie Nabokov auffiel, »ein Mann mit einem Schrank«. Und dies ist ungewöhnlich für eine Figur – dass sie eine Garderobe besitzt. So viele Figuren in der Literatur scheinen auf magische Weise blendend ohne Schrank zurecht zu kommen und ziehen sich aus dem Nichts an. Onegins mit Kleidern gefüllter Schrank ist eine willkommene Erneuerung …
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    Konkret: mit Hilfe des anglophonen italienischen Romanschriftstellers Francesco Pacifico.
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    Was »The House Beautiful« betrifft, aus dieser Geschichte entstand der Fortsetzungsroman
The Old Things
, der zwischen April und Oktober 1896 im
Atlantic
erschien, und 1897 als
The Spoils of Poynton
in Buchform. Auch aus einer weiteren jener Geschichten, die James Scudder im März 1895 versprochen hatte, wurde ein Roman:
The Awkward Age
 – »den ich ursprünglich zu schreiben begann, um Ihrer Einladung zu folgen, der aber, wie bald offensichtlich wurde, den von Ihnen vorgegebenen Rahmen unwiderstehlich sprengen würde.«
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    Später schrieb James über einen anderen Roman,
The Golden Bowl
: »Die ganze Situation bewegt sich unausweichlich im Kreise – was man einen
circulus vitiosus
nennen könnte … Die Kreiselbewegung, der
circulus vitiosus
, entsteht aus aus den Gründen, die jede der Parteien der anderen angibt.«
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    Genauso, wie der folgender Eintrag im Goncourt Tagebuch für Samstag, den 31 . März 1877 , nach der Veröffentlichung von Edmond de Goncourts Roman
La Fille Élisa
: »Ich sah gerade einen großen Buchladen an einem neuen Boulevard, dessen Schaufenster nichts zeigten als
La Fille Élisa
; jedes einzige von ihnen zeigt den Menschen, die draußen anhalten, meinen Namen, allein meinen Namen.«
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    Und ich denke an einen Moment in
Die Falschmünzer
, wo Gide die versteckte Ironie einer Situation erschafft, indem er einen fiktiven Schriftsteller eine Theorie der Liebe in seinem Tagebuch aufschreiben lässt, eine Theorie von den Komplikationen der wahren Gefühle: »Auf dem Gebiete der Empfindungen unterscheidet sich das Wirkliche nicht vom Eingebildeten. Und wenn es genügt, sich einzubilden, daß man liebe, um zu lieben, dann genügt es auch, sich zu sagen, man bilde sich ein zu lieben, wenn man liebt, um sogleich etwas weniger zu lieben …« Und dann ironisiert Gide noch weiter, weil der Schriftsteller hinzufügt: »Durch solche Schlußfolgerungen wird in meinem Buch Monsieur bemüht sein, sich von Madame Z loszumachen …« Denn alle Ideen sind relativ; sie alle werden alle von den Menschen benutzt, um ihre eigenen Gefühle zu bestätigen oder erst zu erschaffen. In Gides Romanen sind Ideen

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