Der multiple Roman (German Edition)
einer gut gemeinten Übersetzung Kopfzerbrechen – »in der sicherlich verloren gehen müsste, was ich die Sklerose seiner Figuren nenne würde«. Stattdessen, argumentierte Montale, waren Svevos Sätze »sowohl aufwendig als auch tiefgründig, kompliziert aber auch frei.« So dass, obwohl ein Übersetzer vielleicht das Gefühl haben mochte, er solle besser »ein paar Kommata einfügen, um einige Anakoluthe auszugleichen«, war Svevos Stil untrennbar mit seinen Fehlern verbunden. Verbesserungen wären nur ungenaue Übersetzungen. Sie wären nicht im Einklang mit der Komödie seiner Sklerose.
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Seine Perkeo war 1905 hergestellt worden, er hatte sie während des Zweiten Weltkrieges einigen sowjetischen Soldaten abgekauft. Perkeo war eine deutsche Firma. Und so ergab sich für den tschechischen Schriftsteller ein Problem: eine Perkeo konnte man nur schwer an das komplizierte System der tschechischen Akzente anpassen. Eigentlich konnte man sie überhaupt nicht daran anpassen. Und so schrieb Hrabal alle seine Texte auf Tschechisch aber ohne Akzente, und so war die übersetzte Molly eine Übersetzung …
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(Die alltägliche, gierige Präzision von Hrabals Metaphern! Wie ein Heiligenschein – »einen ganz schlichten Kreis, einen violetten Flammenkranz, […] wie die Flamme des leuchtenden Kochers der Marke Primus; oder Frauenhaar in einem Schwimmbecken, »das sich während der kräftigen Arm- und Beinschläge streckte, um für einen Moment gewissermaßen innezuhalten, so daß sich die Spitzen leicht wellten wie Wellblech«).
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Aus diesem Grund ist das andere wichtige Motiv in diesem Roman der Aufzug. Wie auch der Schreibtisch taucht er im Haus von Karls Onkel auf: wo es einen Möbelaufzug gibt und daneben einen leerstehenden Personenaufzug. Und als Karl das Haus seines Onkels verlassen hat und das Hotel Occidental in einer Stadt namens Ramses erreicht hat, findet er natürlich Arbeit als Liftjunge – eine Arbeit, die Zugang zu oberen Stockwerken gibt, die für die weniger wohlhabenden Gäste reserviert sind. Ja, das ist Karl: Und Kafka beendet das Kapitel »Im Hotel Occidental« mit diesem Bild von Karl, der sich um vier Uhr morgens ausruht und den Lichtschacht herunterblickt, »der von großen Fenstern der Vorratskammern umgeben war, hinter denen hängende Massen von Bananen im Dunkel gerade noch schimmerten.«
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1931 , mit 23 Jahren, übersetzte Pavese Sinclair Lewis’
Our Mr Wrenn
. Ein Jahr später übersetzte er Melvilles
Moby Dick
und
Dark Laughter
von Sherwood Anderson. Zwischen 1935 und 1942 folgten die Übersetzungen von John Dos Passos’
42 nd Parallel
, Gertrude Steins
Three Lives
, Melvilles
Benito Cereno
und Faulkners
The Hamlet
. Auch wenn Paveses Englisch, wie das vieler Übersetzer, nicht perfekt war. An Anthony Chiuminatto, der ihm Amerikanisch beigebracht hatte, schrieb Pavese: »Sie haben vielleicht gar keine Vorstellung, wie nützlich mir Ihre kleinen Lektionen in gesprochenem Amerikanisch waren. Ich habe meine Notizen darüber sorgsam aufbewahrt, und so wenige Ausdrücke und Wörter ich auch notieren konnte, ich fühle mich beim Lesen moderner amerikanischer Autoren sicherer …«
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»An keiner Stelle darf ein Wort sich einschleichen, das nicht einem Zweck gehorchte, das nicht, mittelbar oder unmittelbar, dazu beitrüge, die vorgesetzte Absicht zu erreichen.«
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Und das erinnert mich an Giorgio Agambens grandioses Statement in
Der Mensch ohne Inhalt
: »Der Bezug von Zeichen und Bezeichnetem erweist sich hier als so unauflöslich mit der Sprache selbst verbunden – denkt man sie metaphysisch als eine
phōnē sēmantikē
, als Laut plus Bedeutung –, daß jeder Versuch, ihn zu überwinden, ohne zugleich auf das Gebiet der Metaphysik hinüberzuwechseln, hinter seinem Gegenstand zurückbleiben muß.« Aber eigentlich wusste Beckett das auch. Er war ja nicht blöd.
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In einem in der
Paris Review
erschienenen Beitrag über ihre Übersetzung von Flauberts
Madame Bovary
fügt Lydia Davis noch hinzu: »Für mich hat die Förmlichkeit der französischen Sprache etwas sehr Fesselndes – oder vielleicht fesselt mich auch die Tatsache, dass obwohl das Französische förmlicher ist, weil seine Mittel begrenzt sind oder aus Tradition, die Förmlichkeit dieser Sprache Teil ihres unverwechselbaren Wesens ist, und ich wäre sehr zögerlich, daran etwas zu ändern – selbst wenn eine vergleichliche Förmlichkeit im Englischen nicht wirklich äquivalent ist, sondern
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