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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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andere Tourist, aber meine Aufmerksamkeit galt etwas anderem. Sie war auf einen kleineren Tempel zwei Straßen südlich des Serapeions gerichtet, aus dem Rauch aufstieg wie aus einem kleinen Vulkan, während die leichte Brise die Klänge klagender Gesänge und scheppernder Instrumente herübertrug. Ich sprach einen der Priester an, einen Mann in der Amtstracht griechischer Gottesdiener, der jedoch nach ägyptischer Mode ein Leopardenfell über die Schulter geworfen hatte.
    »Verzeihung, mein Herr«, sagte ich, »welche Gottheit wird in dem lärmigen Tempel dort drüben verehrt?«
    Von der erhabenen Anhöhe des Serapeions warf er einen entsprechend hochnäsigen Blick auf das fragliche Gotteshaus.
    »Das ist der Tempel von Baal-Ahriman, in seinen besseren Tagen der ehrwürdige Tempel des Horus. Ich würde empfehlen, ihn zu meiden, Senator. Dort wird ein Kult zelebriert, der von ungewaschenen Ausländern ins Land gebracht wurde und nur unter den unanständigsten und geringsten Alexandrinern Anhänger findet. Der barbarische Gott wird mit ekelerregenden Orgien geehrt.«
    Hermes zupfte an meinem Ärmel. »Nichts wie hin! Los!«
    »Schon gut«, sagte ich. »Aber nur, weil ich den Tempel im Rahmen meiner Ermittlungen ohnehin besuchen wollte.«
    Wir stiegen die majestätische Treppe des Serapeions hinab und marschierten zwei Blöcke weiter zum Tempel des BaalAhriman, in dem sich Betende, Touristen und Müßiggänger drängten. Offenbar waren die Einweihungsfeierlichkeiten nach wie vor in vollem Gange. Menschen tanzten zum Geschepper der Zymbeln und Gerassel der Sistra, zum Gejaule der Flöten und Gedröhn der Trommeln. Etliche lagen regungslos in den Ecken, erschöpft von ihren heiligen Exerzitien.
    Überall im Tempel und den Höfen brannte Weihrauch in riesigen bronzenen Rosten. Das war auch notwendig. Wenn fünfzig Bullen geopfert werden, fließt eine Menge Blut, mehr als die Abflüsse des Tempels fassen konnten. Der Weihrauch überdeckte den Gestank und hielt die Fliegen einigermaßen in Schach. Kopf und Fell der Bullen waren auf dem Tempel zugewandten Stöcken drapiert.
    Wie in den meisten ägyptischen Tempeln ging es im Innern recht eng zu bei all den dicken Mauern und dem üblichen Wald aus gedrungenen Säulen. Am äußersten Ende befand sich eine Statue des sitzenden Gottes. Baal-Ahriman war in etwa so häßlich, wie ein Gott nur sein konnte, ohne daß seine Betrachter zu Stein erstarren. Sein Kopf war der eines Löwen, der an einer Art Löwen-Lepra erkrankt zu sein schien. Er hatte den Körper eines abgemagerten Mannes mit verschrumpelten weiblichen Brüsten, was indes nur schwer zu erkennen war, weil er noch immer seinen Umhang aus Stier-Hoden trug. In diesem inneren Heiligtum waren die Fliegen besonders zahlreich.
    »Du bist gekommen, dem großen Baal-Ahriman deine Ehre zu erweisen?« Ich drehte mich um und erkannte Ataxas, der noch immer seine Schlange um die Schultern trug.
    »Ein römischer Beamter erweist den Göttern der Länder, die er besucht, stets die angemessene Ehre«, erwiderte ich. Aus einer großen Schüssel nahm ich eine Prise Weihrauch und warf sie auf den Kohlenrost, den man vor der widerlichen Gestalt aufgestellt hatte. Die kleine Rauchwolke, die daraufhin in die Höhe stieg, trug kaum etwas zur Minderung des Gestanks bei.
    »Ausgezeichnet. Mein Herr und Gott ist hocherfreut. Er hegt die allergrößte Liebe für Rom und würde sich gerne zu den Gottheiten zählen, die auch in der bedeutendsten Stadt der Welt verehrt werden.«
    »Ich werde sein Ansinnen dem Senat vortragen«, sagte ich und nahm mir gleichzeitig vor, eher einen Krieg vom Zaun zu brechen, als zuzulassen, daß dieser schreckliche Todesdämon eine seiner verseuchten Pranken in die Stadt setzte.
    »Das wäre fantastisch«, sagte er und strahlte schmierig.
    »Habe ich richtig verstanden«, fragte ich, »daß der Gott bald zu seinen Getreuen sprechen wird?«
    Er nickte feierlich. »Das ist in der Tat richtig. In jüngster Zeit ist mir mein Gott bei diversen Gelegenheiten in Visionen erschienen und hat mir verkündet, daß er unter denen, die ihn verehren, bald leibhaftig erscheinen wird. Er wird mit eigener Stimme zu ihnen sprechen, ganz ohne die Hilfe eines Mittlers.«
    »Ich vermute, er wird orakelhafte Verlautbarungen von sich geben, die du für die Ohren des gemeinen Volkes übersetzen wirst?«
    »O nein, Senator. Wie schon gesagt, er wird keinen Mittler brauchen. Er wird für alle verständlich sprechen.«
    »Da er ursprünglich aus

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