Der mysterioese Zylinder
oben bis unten behangen mit schweren Damastvorhängen. Teilnahmslos lehnte Hagstrom am Fenster.
Queen schaute sich rasch um. Er wandte sich an Ritter. »War das Bett zerwühlt, als Sie letzte Nacht hier eindrangen? Sah es so aus, als hätte jemand darin geschlafen?« flüsterte er ihm zu.
Ritter nickte. »Also gut, Ritter«, sagte Queen freundlich. »Gehen Sie nach Hause, und ruhen Sie sich aus. Sie haben es verdient. Schicken Sie Piggott bei der Gelegenheit rauf.« Der Detective grüßte und ging fort.
Queen wandte sich nun der Frau zu. Er trat zum Bett, setzte sich neben sie und betrachtete das halb abgekehrte Gesicht. Trotzig zündete sie sich eine Zigarette an.
»Ich bin Polizeiinspektor Queen, meine Liebe«, stellte sich der Alte mit sanfter Stimme vor. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie sich mit dem Versuch, weiter hartnäckig zu schweigen oder mich anzulügen, selbst die allergrößten Unannehmlichkeiten bereiten werden. Aber was red’ ich! Natürlich begreifen Sie das.«
Sie rückte von ihm fort. »Ich werde solange keine einzige Frage beantworten, Inspektor, bis ich weiß, welches Recht Sie haben, überhaupt welche zu stellen. Ich hab’ nichts Unrechtes getan, ich hab’ eine reine Weste. Das können Sie sich hinter die Ohren schreiben.«
Der Inspektor genehmigte sich zunächst eine Prise Schnupftabak. Dann sagte er besänftigend: »Das ist nicht mehr als recht und billig. Sie, eine einsame Frau, werden plötzlich mitten in der Nacht aus dem Bett geworfen – Sie waren doch im Bett, nicht wahr –?«
»Selbstverständlich«, gab sie auf der Stelle zurück; dann biß sie sich auf die Lippen.
»– und stehen auf einmal einem Polizisten gegenüber… Es wundert mich gar nicht, daß Sie erschrocken sind, meine Liebe.«
»Bin ich überhaupt nicht!« sagte sie schrill.
»Darüber wollen wir uns nicht streiten«, entgegnete der Alte wohlwollend. »Aber sicher haben Sie nichts dagegen, mir Ihren Namen zu nennen?«
»Ich weiß zwar nicht, warum ich das sollte, aber schaden kann es ja niemandem«, erwiderte die Frau. »Ich heiße Angela Russo – Mrs. Angela Russo –, und ich bin, nun – ich bin mit Mr. Field verlobt.«
»Ich verstehe«, sagte Queen ernst. »Mrs. Angela Russo und verlobt mit Mr. Field. Sehr schön! Und was haben Sie letzte Nacht in der Wohnung hier gemacht, Mrs. Angela Russo?«
»Das geht Sie nichts an!« sagte sie unverfroren. »Sie lassen mich jetzt wohl besser gehen – ich hab’ nichts Unrechtes getan. Sie haben kein Recht, mir die Ohren vollzuquasseln, alter Knabe!«
Ellery, der aus dem Fenster schaute, mußte lächeln. Der Inspektor beugte sich vor und ergriff sanft die Hand der Frau.
»Meine liebe Mrs. Russo«, sagte er, »glauben Sie mir, wir haben wirklich zwingende Gründe, daß wir unbedingt wissen müssen, was Sie letzte Nacht hier gemacht haben. Kommen Sie schon – erzählen Sie es mir.«
»Ich werd’ solange den Mund nicht aufmachen, bis ich weiß, was ihr mit Monte angestellt habt«, schrie sie und schüttelte seine Hand ab. »Wenn ihr ihn geschnappt habt, warum quälen Sie mich dann noch? Ich weiß von nichts.«
»Mr. Field ist zur Zeit sehr gut aufgehoben«, fuhr der Inspektor sie an und erhob sich. »Ich hab’ Ihnen jetzt lang genug zuhören müssen. Monte Field ist tot.«
»Monte – Field – ist –« Die Lippen der Frau bewegten sich mechanisch. Sie sprang auf, hielt das Neglige gegen ihre mollige Gestalt gepreßt und starrte in Queens unbewegtes Gesicht.
Sie lachte kurz und warf sich dann wieder aufs Bett. »Weiter so – Sie wollen mich doch nur reinlegen«, sagte sie höhnisch.
»Ich pflege über den Tod keine Scherze zu machen«, antwortete der alte Mann mit einem leisen Lächeln. »Sie können meinen Worten Glauben schenken – Monte Field ist tot.« Sie blickte zu ihm auf, lautlos bewegten sich ihre Lippen. »Und was noch dazu kommt, Mrs. Russo – er wurde ermordet. Vielleicht geruhen Sie nun, meine Fragen zu beantworten. Wo waren Sie gestern abend um Viertel vor zehn?« flüsterte er ihr ins Ohr und brachte sein Gesicht ganz nah an das ihre heran.
Mrs. Russo war kraftlos auf dem Bett zusammengesunken. Furcht spiegelte sich in ihren großen Augen. Sie starrte den Inspektor an, fand aber wenig Trost in seinem Anblick; mit einem Aufschrei warf sie sich herum und schluchzte in das zerdrückte Kopfkissen hinein. Queen trat einen Schritt zurück und sprach leise zu Piggott, der kurz zuvor das Zimmer betreten hatte. Plötzlich hörte die Frau zu schluchzen auf.
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