Der mysterioese Zylinder
Zeit für unser Mittagessen. Was meinst du, Henry, willst du nicht einen Happen mit uns essen?«
Sampson grinste etwas gequält. »Ich stecke zwar bis zum Hals in Arbeit, aber selbst ein Staatsanwalt muß ab und zu essen«, sagte er. »Ich gehe unter einer Bedingung mit – nämlich daß ich die Rechnung übernehme. Ich schulde dir sowieso noch etwas.«
Während sie ihre Mäntel anzogen, telefonierte Queen.
»Mr. Morgan? … Oh, hallo, Morgan. Haben Sie heute nachmittag Zeit für eine kleine Unterhaltung? … In Ordnung. Halb drei ist mir recht. Auf Wiederhören.«
»Das wäre das«, sagte der Inspektor zufrieden. »Höflichkeit zahlt sich immer aus, Ellery – das solltest du dir merken.«
Pünktlich um halb drei wurden die Queens in das ruhige Anwaltsbüro von Benjamin Morgan geführt. Es unterschied sich auffallend von Fields verschwenderischer Suite – nobel, aber mit eher geschäftsmäßiger Schlichtheit ausgestattet. Eine lächelnde junge Dame schloß die Türe hinter ihnen. Morgan begrüßte sie zurückhaltend. Er bot ihnen Zigarren an, als sie sich setzten.
»Nein, danke – ich bleibe bei meinem Schnupftabak«, sagte der Inspektor freundlich, während Ellery sich, nachdem er vorgestellt worden war, eine Zigarette anzündete und Rauchringe vor sich hinblies. Morgan zündete sich mit zitternden Händen eine Zigarre an.
»Ich nehme an, Sie sind gekommen, um unsere Unterhaltung von gestern abend fortzusetzen, Inspektor?« sagte Morgan.
Queen nieste, steckte seine Tabakdose wieder ein und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Sehen Sie, Morgan, alter Junge«, sagte er offen heraus. »Sie waren mir gegenüber nicht ganz aufrichtig.«
»Was meinen Sie damit?« fragte Morgan nervös.
»Sie haben mir gestern abend erzählt«, sagte der Inspektor nachdenklich, »Sie haben mir gestern erzählt, daß Sie sich vor zwei Jahren freundschaftlich von Field getrennt haben, als das gemeinsame Unternehmen aufgelöst wurde. Haben Sie das nicht gesagt?«
»Das habe ich«, sagte Morgan.
»Was für eine Erklärung, mein Lieber«, fragte Queen, »haben Sie dann für die kleine Episode im Webster Club? Ich würde es nicht gerade als ›freundschaftliches‹ Ende einer Partnerschaft bezeichnen, wenn man das Leben eines Mannes bedroht!«
Morgan saß für einige Zeit schweigend da, während Queen ihn geduldig ansah und Ellery seufzte. Dann blickte er auf und begann, mit etwas leidenschaftlicherer Stimme zu reden.
»Es tut mir leid, Inspektor«, murmelte er, ohne diesen anzusehen. »Ich hätte mir denken können, daß sich jemand an eine solche Drohung erinnern würde … Ja, es ist nur zu wahr. Wir haben einmal auf Fields Vorschlag hin zusammen im Webster Club gegessen. Was mich betraf, so war es mir am liebsten, gesellschaftlich überhaupt nicht mit ihm zu verkehren. Aber der Zweck dieses Mittagessens war, einige letzte Einzelheiten der Auflösung durchzusprechen, und natürlich hatte ich keine andere Wahl … Ich fürchte, ich bin in Wut geraten. Ich habe ihn mit dem Tod bedroht, aber das war – nun, das war im Eifer des Gefechts gesagt. Ich hatte die ganze Sache vergessen, bevor die Woche vorbei war.«
Der Inspektor nickte verständnisvoll. »Ja, solche Dinge passieren manchmal. Aber« – und Morgan leckte sich ängstlich die Lippen – »ein Mann bedroht doch nicht das Leben eines anderen Mannes – auch wenn er es nicht ernst meint – nur wegen geringfügiger geschäftlicher Differenzen.« Er richtete einen Finger auf Morgans zusammengesunkene Gestalt. »Kommen Sie, Mann – heraus damit. Was versuchen Sie zu verschweigen?«
Morgans ganzer Körper war in sich zusammengefallen. Seine Lippen waren aschgrau, als er hilfesuchend von einem Queen zum anderen blickte. Aber ihre Blicke waren unerbittlich; Ellery, der ihn ansah wie ein Forscher sein Versuchskaninchen, unterbrach das Schweigen.
»Mein lieber Morgan«, sagte er kühl. »Field hatte etwas gegen Sie in der Hand, und er dachte, daß nun der geeignete Zeitpunkt gekommen war, Sie davon in Kenntnis zu setzen. Das ist so klar wie das Rot in Ihren Augen.«
»Sie haben es zum Teil erraten, Mr. Queen. Ich bin einer der unglücklichsten Menschen dieser Erde gewesen. Dieser Teufel Field – wer auch immer ihn getötet hat, verdient eine Auszeichnung für diesen Dienst an der Menschheit. Er war ein Monster – ein seelenloses Ungeheuer. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich – ja, glücklich! – ich darüber bin, daß er tot ist!«
»Ganz ruhig, Morgan«, sagte Queen.
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