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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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so genannte ‘Einigung’ mit Ihrer Frau sehe ich in zwei möglichen Versionen, Mr Rogerson«, sagte er freimütig. »Die eine ist, dass Sie Ihre Tochter immer nur als Druckmittel gegen ihre Frau benutzt haben. Eines Tages entpuppte sich unerwartet Edward Townsend als Rivale – Sie hatten keine Ahnung, dass ihre Frau ein Verhältnis mit ihm hatte und beabsichtigte, Sie zu verlassen –, worauf Sie auf Zeit spielten, um ihr Vermögen gegen Ansprüche Ihrer Frau abzusichern. Solange Ihre Frau fürchten muss, dass Sie versuchen werden, ihr Amy wegzunehmen, wird sie nie wieder zu einem Anwalt gehen, weil sie aus vergangener Erfahrung weiß, dass sie da den Kürzeren ziehen wird.«
    Rogerson schüttelte den Kopf. »Wieso können Sie nicht einfach akzeptieren, dass ich meine Pflichten als Vater ernst nehme? Ich kann doch nichts dafür, dass Laura diese Affäre hatte! Und Amy erst recht nicht. Solange sie bei Edward Townsend lebten – und trotz Lauras lächerlichem Beharren darauf, meine Unterhaltsschecks zurückzuschicken –, konnte ich sicher sein, dass für meine Tochter angemessen gesorgt war. Ich kannte den Mann persönlich, ich wusste, in welchen Verhältnissen er lebte. Eine solche Garantie wäre bei einer weiteren Beziehung meiner Frau nicht gegeben gewesen – wie sich ja hinreichend gezeigt hat. Ich bezweifle, dass wir heute nach Amy suchen müssten, wenn meine Frau sich an unsere Vereinbarung gehalten hätte.«
    Tyler würdigte diese bemerkenswerte Aussage keiner Reaktion. »Meine
zweite
Version«, fuhr er fort, als hätte Rogerson gar nicht gesprochen, »sieht vor, dass Sie bereit waren, Amy für einen gewissen Zeitraum an Townsend auszuleihen – wahrscheinlich, um ihn nicht als Mandanten zu verlieren. Darum ließen Sie ruhig zu, dass er, einzig mit dem Ziel an Ihre Tochter heranzukommen, Ihre Frau verführte, an der Sie längst jedes Interesse verloren hatten. Sie stellten ihm nur eine Bedingung: dass Amy Ihnen zurückgegeben würde, wenn seine Begierde sich erschöpft hätte – entweder weil Sie selbst das Kind missbrauchen oder es an andere Mandanten verleihen wollten. Ganz gleich, was«, fuhr er unnachgiebig fort und ohne Rogersons empörtes Nach-Luft-Schnappen zu beachten, »Sie haben ein zehnjähriges Kind in die Obhut eines Mannes gegeben, von dem sie wussten, dass er pädophil ist.«
    In Rogersons Augen funkelte mühsam beherrschte Wut. »Sie bewegen sich auf sehr gefährlichem Terrain«, warnte er. »Diese Unterstellungen entbehren jeder Grundlage.«
    »Sie waren Townsends Anwalt bei seiner ersten Scheidung. Sie haben damals mitgeholfen, die Beweise für seine pädophilen Neigungen zu unterdrücken.«
    »Das bestreite ich mit aller Entschiedenheit.«
    »Bestreiten Sie, dass Videobänder existierten, die seine neunjährige Stieftochter nackt zeigten? Bestreiten Sie weiter, dass diese Bänder bei der Scheidung mit keinem Wort erwähnt wurden?«
    »Ich sage dazu nur, dass gewisse Streitpunkte auf Betreiben der Ehefrau fallen gelassen wurden, weil diese eine Veröffentlichung kompromittierenden Materials vermeiden wollte. Die Durchsicht des Materials bot mir keinerlei Veranlassung, Edward Townsend für pädophil zu halten. Ich war überzeugt – und bin es auch heute noch –, dass er sich ausschließlich für Frauen interessiert.«
    Tyler fixierte ihn so lange, bis er den Blick senkte. »Warum hat Amy geweint, als Sie mit ihr bei Ihren Eltern zu Besuch waren?«
    Der unvermittelte Themawechsel irritierte Rogerson. »Was hat das denn jetzt hier zu tun?«
    »Amy war bei dieser Gelegenheit mit Ihnen allein – ohne ihre Mutter.«
    Sein Gesicht verschloss sich augenblicklich. »Was soll das heißen?«
    »Es würde mich nur interessieren, warum Amy an dem Tag so unglücklich war, dass Ihre Eltern Sie baten, das Kind nicht wieder mitzubringen.«
    »Amy hat geweint. Ist das so ungewöhnlich? Der Besuch hat sie überfordert.«
    »Wieso?«
    »Was zur Hölle!« Er brach ab und atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen. »Weil meine Eltern in einem Pflegeheim leben und eine ganze Reihe der Patienten dort an der Alzheimerschen Krankheit leidet«, sagte er in sachlicherem Ton. »Das ist für ein kleines Mädchen ziemlich erschreckend.«
    »Ich dachte, es wäre ein Seniorenheim.«
    »Pflegeheim – Seniorenheim – das ist doch alles so ziemlich dasselbe.«
    »In Seniorenheimen werden keine Alzheimer-Patienten aufgenommen.«
    Ein kurzes Schweigen folgte. »Dann ist meine Tochter eben von Natur aus

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