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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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schüchtern. Was wollen Sie von mir? Eine detaillierte Analyse eines Tages im Leben eines Kindes?«
    Tyler schob seinen Stuhl zurück und streckte seine Beine aus. »Niemand sonst beschreibt Amy als schüchtern, Mr Rogerson. Man hat sie als kleine Shirley Temple bezeichnet, als trällerndes Tanzpüppchen, und ich habe mir erzählen lassen, dass sie die Menschen gern zum Lächeln bringt.«
    Diesmal schwieg Rogerson lange.
    »Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen«, sagte er schließlich.
    »Es gibt außer Ihren Eltern nur noch zwei andere Personen, die erzählt haben, dass sie die ganze Zeit weinte – Kimberley und Barry Logan. Und die beiden haben Amy gnadenlos tyrannisiert. Sie haben ferner erzählt, dass Amy dauernd zur Toilette rannte und sich einsperrte, weil sie Bauchweh hatte. Ihre Eltern berichteten das gleiche: ‘Sie verschwand ständig mit Magenschmerzen in der Toilette, aber sie wollte sich nicht helfen lassen.’«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    Tyler beobachtete, wie der Blick des Mannes wieder zu seiner Armbanduhr hinunterfiel, als kümmerte ihn einzig der Termin in Southampton.
    »Das ist ein typisches Missbrauchssymptom, Mr Rogerson, besonders bei Mädchen. Sie laufen ständig zur Toilette und lehnen alle Hilfe von anderen ab, weil sie nicht wollen, dass die Spuren des Missbrauchs an ihrem Körper gesehen werden. Diese Bauchschmerzen können vielleicht ganz konkret auf eine Infektion des Harnsystems oder der Genitalien zurückzuführen sein. Aber sie können auch seelische Ursachen haben und auf eine starke psychische Belastung hinweisen – möglicherweise verbunden mit einer Bulimie oder Anorexie. Da ist heimliches Erbrechen ja gang und gäbe. Ihre Tochter ist sehr dünn. Und sie ist beinahe zwanghaft darauf bedacht zu gefallen...«
    Rogerson sah ihm kalt in die Augen. »Wollen Sie mich des Kindesmissbrauchs beschuldigen?«
    »Mich interessiert der Zeitpunkt Ihres Besuchs bei Ihren Eltern, der genau zu der Zeit stattfand, als Ihre Frau das Verhältnis mit Townsend hatte.«
    »Dann schlage ich vor, Sie sprechen Laura darauf an. Wie Sie in den letzten zehn Minuten erfolgreich nachgewiesen haben, war mein Kontakt zu meiner Tochter seit ihrer Geburt mehr als dürftig.« Er legte beide Hände flach auf den Tisch und machte Anstalten aufzustehen.
    Tyler tippte mit einem Finger hart auf die Tischplatte. »Bleiben Sie, Mr Rogerson«, befahl er kurz. »Ich bin noch nicht am Ende.«
    Rogerson ignorierte den Befehl. »O doch, das sind Sie«, entgegnete er im Aufstehen, »es sei denn, Sie können Ihre Behauptungen mit Beweisen untermauern.« Er wollte sich abwenden.
    Tyler sprang auf. »Bleiben Sie, Mr Rogerson. Sie sind festgenommen. Wegen Verabredung und Anstiftung zur Unzucht mit Minderjährigen. Sie brauchen nichts zu sagen, aber es kann sich auf Ihre Verteidigung ungünstig auswirken, wenn –«
    Mit wutverzerrtem Gesicht fuhr der Anwalt herum. »Hören Sie auf«, rief er herrisch und hieb mit ausgestrecktem Zeigefinger durch die Luft. »Ich verlange, dass diese Anschuldigungen ordnungsgemäß erläutert werden, bevor Sie mir mit einer Rechtsbelehrung kommen.«
    »– Sie bei der Vernehmung etwas unerwähnt lassen, worauf Sie sich später bei Gericht berufen. Alles, was Sie aussagen, kann als Beweis verwendet werden.« Er fixierte Rogerson scharf. »Die Polizei wird von dem sich aus Ihrer Festnahme ergebenden Recht Gebrauch machen, Ihren gesamten beweglichen und unbeweglichen Besitz einschließlich Ihrer Computerdateien und der Festplatte zu überprüfen. Verstehen Sie, was ich Ihnen soeben mitgeteilt habe?«
    Rogersons Gesicht war jetzt ohne jeden Ausdruck. Nur an seinem linken Augenlid zuckte unkontrollierbar ein Nerv. Er sagte nichts.
    Tyler lächelte dünn, als er ihm die geöffnete Hand entgegenstreckte. »Ihr Telefon bitte, Mr Rogerson.«
Humbert Street 9
    Jimmy hörte sich mit wachsender Bestürzung an, was Harry Bonfield ihn zu tun drängte. Im Endeffekt lief es darauf hinaus, dass er durch die Hintertür ins Haus Nummer 23 eindringen und Sophies Freilassung aushandeln sollte. Entweder persönlich oder indem er mit Hilfe von Sophies Handy Gespräche zwischen den Hollis', Harry Bonfield und der Polizei ankurbelte.
    »Sind Sie noch da?«, fragte Harry, als Jimmy nichts sagte.
    »Ja, ja, man wird doch wohl noch überlegen dürfen.« Neuerliches Schweigen. »Okay, ich sag Ihnen, wie ich's seh. Sie haben einen Psychopathen und einen Schwulen, die sich vor Angst in die Hosen scheißen,

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