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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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euch, sobald ich kann.« Er gab dem Jungen einen Klaps auf die Wange. »Du bist ein prima Kerl, Col. Du hast mehr Schneid und Grips als dieser Nigger je haben wird.«
Im Garten hinter der Humbert Street 21a
    Der alte Soldat hörte Sophies Schrei an seinem Platz unter dem Apfelbaum, aber da er von seiner Nachbarin nur Vages darüber wusste, was es mit den Krawallen in der Acid Row auf sich hatte –»
Sie haben uns ein paar Schwule in die Humbert Street gesetzt«
–, glaubte er, der Schwarze hätte die Frau in Todesangst gestürzt. Er hatte für Homosexuelle nicht mehr übrig als jeder andere, aber dass die mit Frauen nichts am Hut hatten, das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Aber die Wilden, die musste man fürchten. Vor denen war keine weiße Frau sicher. Er kletterte mühevoll über den Zaun und schlich, die Machete mit beiden Händen umfassend, zur Küchentür. Halb aus den Angeln gerissen, schwankte sie sachte hin und her, und das war dem alten Mann Beweis genug, dass drinnen im Haus ein Herkules wütete.
Im Haus Humbert Street 23
    Behände und leise seinem massigen Körper zum Trotz schlich Jimmy an der Wand entlang die Treppe hinauf, die Augen zum Flur hinaufgerichtet, um jede kleinste Bewegung wahrzunehmen. Oben im Haus, einer Kopie von Mrs Carthews Haus, standen sämtliche Türen offen. Bis auf die zum hinteren Zimmer. Er glitt lautlos um das Treppengeländer herum und lauschte, während er mit kräftigen Fingern den Türknauf umfasst hielt.
    Er vernahm die Stimme eines Mannes, konnte aber nicht ausmachen, was er sprach. Es war ein weiches Summen. Leise und zart und einschmeichelnd. In einer Sprache, die er nicht verstand. Er drehte vorsichtig den Knauf und drückte gegen die Tür, aber sie war abgeschlossen. Lautlos fluchend, überlegte er. Was sollte er tun? Sich bei ihnen melden und mit langen Erklärungen kostbare Zeit vergeuden? Oder die nächste Tür aufbrechen?
    Die Schulter tat ihm weh vom letzten Gewaltakt, und in dem engen Flur konnte man sich kaum bewegen, aber der Schrei der Frau gellte ihm noch in der Ohren, und so weit er sehen konnte, hatte er keine andere Möglichkeit, als diese Leute zu überrumpeln. Wie zur Bestätigung seiner Überlegungen, wurde es drüben im Zimmer plötzlich laut – Schuhabsätze, die auf den Fußboden trommelten, ein quietschendes Kratzen, wie wenn ein Möbelstück verschoben würde, an dem ein Fuß sich verhakt hatte, eine Frauenstimme, die von vorgehaltener Hand gedämpft wurde –»Nein... nein... nein...!«–, das schreckliche dumpfe Klatschen eines Faustschlags, der weiches Gewebe traf. Dann wieder das leise Summen.
    Er hob ein Bein, stemmte sich mit dem Rücken gegen das Treppengeländer und trat mit dem Absatz seines Stiefels auf das Türschloss. Er musste fünfmal nachtreten, bevor es aus dem Holz sprang, aber auch dann öffnete sich die Tür nur einen Spalt, ehe sie gegen ein Hemmnis stieß. Jimmy senkte erschöpft den Kopf, dann holte er tief Luft, drückte seine Schulter an die Türfüllung und stieß mit seinem ganzen Zweizentnergewicht nach, um die Tür und das, was sie zuhielt, aus dem Weg zu räumen.
Humbert Street 9
    Unendlich erleichtert nahm Gaynor die Nachricht auf, dass die ganze Humbert Street entlang sich Notausgänge öffneten. Sie wusste es in diesem Moment nicht, aber die Geschichte, wie über das Netz von ‘Hallo Freundschaft’ Söhne, Töchter, Nichten, Neffen und Freunde mobilisiert worden waren, Durchgänge zu den Gärten auf beiden Seiten zu schaffen, wurde zum Lichtblick in dem schrecklichen Trauma der Julikrawalle. Sie bezeugte, dass selbst in den zerrissensten Gesellschaften ein Gemeinschaftsgefühl erhalten blieb, und legte ein Samenkorn der Hoffnung für die Zukunft.
    In diesem Augenblick jedoch vermutete Gaynor, die nichts anderes gehört hatte, dass diese neue Entwicklung Jimmy zu verdanken war. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass er ein feiner Kerl ist«, erklärte sie Ken Hewitt, als sie ihm die Neuigkeit mitteilte. »Also, kann ich jetzt weg und mich um Mel und Col kümmern? Ich mach mir totale Sorgen um die beiden. Meine Batterie ist fast leer, und ich denke mal, die Leute hier haben kapiert wie's laufen muss. Es drängelt schon lang keiner mehr.«
    »Wir glauben zu wissen, wo Melanie ist«, sagte er und gab die Informationen aus dem Hubschrauber an sie weiter. »Jimmy sagte, die Beschreibung der Blondine passt auf Melanie. In der Reihe steht auch ein halbwüchsiger Junge. Er hält die Blonde bei der Hand, hat ein

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