Der Nachbar
den ausgedörrten Mund, um ihn einzuspeicheln.
»Sie sind 'n toter Mann, Mr Hollis, wenn Sie jetzt nicht mit mir gehen«, sagte er.
Ein Funke der Belustigung blitzte in den Augen des Mannes auf, als nähme er die Drohung zur Kenntnis und fände sie erheiternd. »Die Frau stirbt, wenn du versuchst, mich mit Gewalt hier rauszuholen.«
»Nein, Sie haben mich nicht verstanden.« Er legte einen dringlichen Ton in seine Stimme. »Alle Zufahrtstraßen zur Siedlung sind verbarrikadiert. Die Polizei kommt nicht rein. Auf den Straßen ist überall Krawall, und da unten sind 'n paar Typen, die warten nur drauf, Sie mit Benzinbomben bei lebendigem Leib zu verbrennen. Ich hab versprochen, Sie und Ihren Sohn hinten rauszubringen und zur Polizei an der Ringmauer durchzuschleusen. Sie haben ungefähr dreißig Sekunden, um sich zu entscheiden.«
Neuerliche Belustigung. »Glaubst du im Ernst, dass Franek dir das abkauft? Du hältst mich wohl für blöd, wie?«
Sophies Lider begannen zu flattern, als zögernd das Bewusstsein wiederkehrte.
»Genau«, antwortete Jimmy unbekümmert. Er konnte sich in diesem Moment kaum etwas Schöneres vorstellen, als diesem Kerl das Lächeln von der Visage zu wischen. »Mir ist noch nie ein Irrer mit Hirn untergekommen. Die sind doch alle unterbelichtet. Was gehört schon dazu, einer Frau die Zähne einzuschlagen? Das kann doch jedes schwachsinnige Arschloch.«
Franek umfasste Sophies Nacken fester, als diese sich zu bewegen begann. »Wir bleiben«, sagte er. »Du bewachst die Tür, Nigger. Damit uns nichts passiert.«
Diesmal war es Jimmy, der lächelte. »Die werden Sie abfackeln, Mr Hollis. Reicht Ihr bisschen Hirn aus, um das zu verstehen? Ob ich hier steh oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle, weil Sie dann nämlich nur noch durchs Fenster rauskommen und die Typen da unten schon mit Messern auf Sie warten. Die haben für Psychopathen nichts übrig und sind zugedröhnt bis unter die Mütze. Wenn die Sie sehen, machen die Hackfleisch aus Ihnen.«
Franeks Blick blieb völlig ruhig, aber Jimmy war nicht klar, ob Furchtlosigkeit oder Verständnislosigkeit die Ursache solcher Unerschütterlichkeit war. Er musste doch das Geschrei von draußen hören, das lauter und klarer ins Zimmer drang, seit die Tür geöffnet worden war. Jimmy konnte deutlich Wesley Barbers Stimme ausmachen, die alle anderen übertönte, und das beunruhigte ihn, weil es nur bedeuten konnte, dass Wesley dem eingeschlagenen Fenster unten näher rückte.
»Los, Mel, hol den Bruder raus, sonst fackeln wir ihn auch ab...«
»Du beschimpfst den falschen Mann, Nigger. Hast du mal gefragt, ob vielleicht der Sohn der Kranke ist? Hast du gefragt, ob der Sohn das hier angerichtet hat? Nein, du spuckst dem Vater ins Gesicht und gibst ihm die Schuld.« Er fixierte Jimmy mit herausforderndem Blick. »Aber ich bin derjenige – ich, Franek –, der nichts Böses getan hat. Und ich – Franek – tu, was ich kann, um sein Leben zu schützen.«
Er wird sich niemals selbst die Schuld geben...
Jimmy sah wieder zu der reglosen Gestalt in der Ecke hinüber. »Ist das Ihr Sohn? Ist er tot?«
»Ich habe ihn mit einem Stuhl von der Frau weggeschlagen. Seitdem hat er sich nicht mehr gerührt.«
»Ja, ja, sparen Sie sich das für die Bullen, Mr Hollis. Ich glaub Ihnen nie im Leben, dass Sie ein harmloser Unschuldsengel sind. Man muss schon ein ziemlich krankes Arschloch sein, wenn man einer Frau so ganz einfach das Genick brechen will.«
»Du hast mir ja gar keine Wahl gelassen, Nigger. Ohne die Drohung hättest du mir nicht zugehört. Aber Franek ist nicht der Mann, den du suchst. Milosz hat den ganzen Ärger gemacht. Milosz macht immer schlimme Sachen.« Der alte Mann kniff die Augen zusammen, als Jimmys Gesichtsausdruck sich plötzlich veränderte. »Warum machst du so ein Gesicht?«, fragte er scharf. »Was denkst du?«
»Man hat mir gesagt, Sie heißen Hollis.«
»Na und?«
»Das stimmt gar nicht. Sie heißen Zelowski!«
»Was ändert schon ein Name?«
Jimmy ballte die Hände zu Fäusten. Er wusste jetzt, warum unten ein Tonstudio war. »Alles! Gottverdammich! Ich weiß, was Sie getan haben. Kein Wunder, dass Ihr Sohn sich jedes Mal in die Hose scheißt, wenn die Tür aufgeht. Sie haben einen kleinen Jungen von fünf Jahren ausgepeitscht, Sie krankes Schwein!«
»Das ist Lüge.«
»Ach, erzählen Sie mir doch nichts!«, fuhr er den Alten an. »Ich kenn Ihren Sohn aus dem Knast. Ich hab ihn gemocht. Milosz Zelowski. Ein klasse
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