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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Musiker, der beste, der mir je begegnet ist.« Seine Stimme schwoll an vor Zorn. »Sie haben ihm die Finger gebrochen, weil sie hörten, dass er's andern Typen mit der Hand gemacht hat, und das kann ihm nur
einer
beigebracht haben. Sie sind echt das Letzte, Mann. Bei Frauen und Kindern trauen Sie sich.« Er spie auf den Boden. »Aber vor Männern ziehen Sie den Schwanz ein.«
    Beim lauten Klang seiner Stimme öffnete Sophie die Augen. Ihr Gesicht war Jimmy zugewandt, aber er konnte nicht erkennen, ob irgendein Begreifen da war, auch wenn sie so still lag, als wüsste sie, dass Bewegung gefährlich war. Sie starrte ihn unverwandt an, und er hatte den Eindruck, dass sie versuchte, ihm etwas mitzuteilen. Aber er hatte keine Ahnung, was.
    Franek war unbeeindruckt. »Ach, du willst mit mir streiten? Glaubst du, es ist so leicht, Franek abzulenken, damit er vergisst, warum er dieses zarte weiße Hälschen zwischen den Händen hält?«
    »Wenn Sie es ihr brechen, schmeiß ich Sie eigenhändig aus dem Fenster.«
    In den Augen des alten Mannes glomm neue Erheiterung. »Vielleicht ist mir das egal. Vielleicht tu ich's trotzdem. Vielleicht denk ich mir, mal sehen, ob ein Nigger zur Abwechslung mal die Wahrheit sagt.« Begierig beobachtete er Jimmys Gesicht. »Ha!«, rief er triumphierend. »Jetzt bist du nicht mehr so scharf auf Streit. Vielleicht willst du lieber für Franek eine Botschaft weitergeben. Sag deinen Freunden, sie sollen heimgehen, in ihre Käfige. Sag ihnen, wenn Franek nichts passiert, dann passiert der Frau auch nichts. Geh schon! Tu, was Franek sagt –« er streckte einen Finger aus, um Sophies Wange zu streicheln –»und die Kleine bleibt am Leben. Widersprich mir, und es ist aus mit ihr.«
    Sophies Augen weiteten sich. Diesmal war klar, was sie sagen wollte.
Lassen Sie mich nicht allein!
Sie war wacher, als sie zu sein vorgab.
    Jimmy hatte sich schon ausgerechnet, dass er die Distanz zwischen ihnen nicht würde überwinden können, bevor Franek zupackte. Er konnte hoffen, dass Sophie sich zur Wehr setzte, wenn sie sah, dass er ihr zu Hilfe kam, oder dass Franek zu unerfahren war, um es gleich beim ersten Mal richtig zu machen. Aber das war ein zu großes Risiko. Er hielt nicht einen Trumpf in der Hand, weil er nicht bereit war, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Franek hielt sie alle in der Hand.
    »Die hören doch gar nicht auf mich«, sagte er.
    »Du sollst mir nicht widersprechen, Nigger.«
    »Ganz recht, ich bin ein Nigger, und von Niggern wollen sie in der Acid Row nichts wissen.« Er wies mit einer kurzen Kopfbewegung zur Tür. »Hören Sie doch mal hin! Die schreien, dass sie mich genauso abfackeln werden, bloß weil ich schwarz bin.«
    Diesmal trübte ein Schatten des Zweifels Franeks Blick. Es war unwahrscheinlich, dass er in dem wütenden Gebrüll einzelne Wörter ausmachen konnte, aber was Jimmy ihm über die Einstellung der Leute zu Schwarzen gesagt hatte, entsprach seinen eigenen Ansichten, darum glaubte er es.
    Jimmy sagte mit einem Nicken zu Sophie »Auf sie werden sie hören. Sie ist ihre Ärztin. Wenn wir sie ins vordere Zimmer bringen, kann sie vom Fenster aus mit ihnen reden.«
    Franek schüttelte störrisch den Kopf. »Du willst sie nur von mir weglotsen. Los, mach schon. Tu, was ich gesagt habe. Vielleicht hören sie ja mehr auf dich, als du denkst.«
    Jimmys brodelnder Zorn kochte über. Er hatte weder Zeit noch Geduld für Verhandlungen, und schon gar nicht die Mentalität, die es einem solchen Menschen gestattet hätte zu glauben, er wäre ein gehorsamer Befehlsempfänger. Krachend schlug er mit der Faust gegen den Kleiderschrank.
    »Hey, Sie Arschloch«, brüllte er. »Jetzt reicht's mir endgültig. Sie können's mir glauben, ich bin der einzige Idiot in der ganzen Scheißstraße, der Sie nicht umbringen will. Sie haben nur eine Möglichkeit, Ihre beschissene Haut zu retten, und die bin ich. Ich komm jetzt rein und hol Milosz. Und Sie lassen die Frau frei und heben Ihren fetten Arsch.«
    Vielleicht hatte Sophie auf ein solches Ultimatum gewartet; vielleicht spürte sie ein Lockerlassen der Hand unter ihrem Kinn; denn sie warf sich plötzlich herum und entwand sich Franeks Händen, um von panischer Angst gejagt Jimmy entgegenzukrabbeln. Er war eine halbe Sekunde langsamer als sie, aber immer noch um einiges schneller als ein Einundsiebzigjähriger.
    »Ich hab Sie«, sagte er, packte sie um die Taille und schwang sie hinter sich. Den Kopf gesenkt und die Arme ausgebreitet, ging er in

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