Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
Seite zu warten, bis er die Bestätigung erhielt, dass Sophie und die Zelowskis das Haus verlassen hatten. Mit einem kollektiven Seufzer der Erleichterung sahen die Beobachter endlich drei Menschen in den Garten treten, einer von ihnen, der große Mann in der schwarzen Ledermontur, einen vierten über der Schulter tragend.
    Das Kamera-Auge verfolgte die kleine Gruppe, angeführt von Jimmy, der mit gezielten Tritten einen Zaun nach dem anderen aus dem Weg räumte, auf ihrem Marsch zur Bassindale Row und kehrte dann zur Humbert Street zurück.
    »Wo ist eigentlich der Bursche mit dem Stahlhelm geblieben?«, fragte einer der Beobachter.
    Keiner wusste es.
In den Gärten hinter der Humbert Street
    Gaynor, die drei Häuser entfernt war, erkannte Jimmy auf den ersten Blick, als er aus der Küchentür trat. Die Frau an seiner Seite kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie konnte das Gesicht unter der blutigen Maske nicht erkennen. Grüßend hob sie die Hand, aber sie wandten sich nach links, zur Bassindale Row, und warfen nicht einmal einen Blick in ihre Richtung.
    »Jimmy!«, rief sie laut, aber er war so darauf konzentriert, den Fluchtweg freizumachen, dass er sie nicht hörte.
    Nicht einen Moment kam ihr der Gedanke, dass sie hier den Abzug der Pädophilen beobachtete. Seit Beginn der Unruhen hatte sie kaum noch an sie gedacht, außer indirekt, wenn sie sich Vorwürfe machte, zu dem Protestmarsch aufgerufen zu haben, und da sie nie zuvor hinten in den Gärten gewesen war, hatte sie keine Ahnung, wie weit sie in diesem Augenblick noch von Melanies Maisonette weg war. Was sie beobachtete, konnte sie nur aufgrund der Tatsachen interpretieren, die ihr bekannt waren, daher stand für sie fest, dass dies einer der Notausgänge war, die Jimmy im Auftrag der Polizei öffnen sollte.
    Es war offenkundig, dass es einen Unglücksfall gegeben hatte. Oder etwas Schlimmeres. Weitere Benzinbomben? Eine Massenpanik? Das war die einzig mögliche Erklärung für Jimmys blinde Hast, die menschliche Last auf seiner Schulter, das Blut im Gesicht der Frau, den hinterherstolpernden alten Mann, der die Hände vor sich zusammengepresst trug, als wäre er verletzt. Jimmy brachte die Verwundeten in Sicherheit.
    Sofort wurde sie von panischer Angst um ihre Kinder erfasst. In der Erwartung, dass Jimmy und seiner Gruppe andere Flüchtende folgen würden, ging sie zaghaft ein paar Schritte weiter, aber es blieb merkwürdig still. Wieder hob sie das Gesicht zum Hubschrauber empor und schirmte die Augen vor der Sonne ab. Was war hier nur los? Wo waren die Menschen geblieben?
    Hinter dem fast zwei Meter hohen Zaun, der den Garten des letzten Hauses der Bassett Road von der Bassindale Row abgrenzte, ließ Jimmy den leblosen Milosz zum Boden hinunter.
    Er war zu den Gärten hinter der Bassett Road durchgebrochen, weil er gehofft hatte, dass das Getümmel der von der Humbert Street ausufernden Menge dort nicht so dicht wäre, wenn auch das Gebrüll und Gegröle immer noch unangenehm nahe waren. Sie konnten das Stampfen von Füßen auf dem Asphalt ausmachen, menschliche Stimme, sogar den Rauchgeruch, wenn ein Gaffer, der das Geschehen aus der Ferne beobachtete, sich eine Zigarette anzündete. Er sah die eigene Furcht in den Blicken von Sophie und Franek gespiegelt, als er einen Finger auf seine Lippen drückte, um sie zum Schweigen zu ermahnen.
    Bei Franek, dessen Gesicht so bleich und käsig war wie das seines Sohnes, war die Ermahnung überflüssig. Er ließ sich im Windschatten des Zauns zusammengekauert zu Boden sinken und bedeckte seinen Kopf mit den Händen, als könnte die windige Bretterwand ihn vor der beängstigenden Realität einer blutdürstigen Menge schützen. Weder Sophie noch Jimmy gönnten ihm die geringste Aufmerksamkeit.
    Jimmy kniete neben Milosz nieder und atmete ein paar Mal tief durch, ehe er wieder sprechen konnte. »Ich weiß nicht, ob ich ihn den ganzen Weg bis raus tragen kann«, flüsterte er dicht an Sophies Ohr. »Er ist schwer wie eine Tonne. Halten Sie's für möglich, dass er tot ist?«
    Sie kauerte neben ihm nieder und drückte ihre Fingerspitzen an Miloszs Hals, ehe sie eine Hand auf seine Brust legte, um zu prüfen, ob ein Herzschlag zu spüren war. »Er ist in einem Zustand tiefer Bewusstlosigkeit«, flüsterte sie, während sie mit dem Daumenballen ein Augenlid hochschob, »aber seine Reflexe sind in Ordnung – seine Atmung und der Puls sind kräftig. Eine Gehirnerschütterung ist es nicht, da wäre er mittlerweile wieder

Weitere Kostenlose Bücher