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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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war nun überhaupt keine Verbindung mehr möglich; von schweren Stiefeln zertrampelt lag das kleine Telefon auf der Straße, wo Colin es hatte fallen lassen, als er seiner Schwester zu Hilfe gekommen war.
    Die Identität des Manns mit dem Stahlhelm sowie die Frage, warum er das Haus Nummer 23 betreten hatte und nicht wieder herausgekommen war, gaben der Polizei immer noch Rätsel auf.
    Dank der Geradlinigkeit, mit der Jimmy auf die Rückfront von Nummer 23 zuhielt, konnte das Auge der Kamera die Geschehnisse sowohl hinter als auch vor dem Haus erfassen. Es registrierte die unvermittelte Änderung von Jimmy James' Schrittfrequenz, als dieser wie ein Wahnsinniger durch den Garten raste und durch die Hintertür ins Haus stürzte; den wütenden Sturm eines Teils der Menge auf das eingeschlagene Erdgeschossfenster; das bestürzende Verschwinden der Blondine, als Wesley Barber ihr die Faust in den schwangeren Leib schlug und sie unter stampfenden, trampelnden Füßen zu Boden ging.
    Alle in der Einsatzzentrale schrien auf vor Entsetzen.

25

Parkplatz, Hotel Hilton, Southampton
    Townsends BMW stand allein in einer Ecke auf dem Parkplatz des Hotels Hilton. »Was gefunden?«, fragte Tyler den Beamten, der neben dem Wagen wartete.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Der Kofferraum ist wie geleckt, Sir. Ein Pathologe würde vielleicht was finden, aber wetten würd ich nicht drauf.«
    »Zu sauber? Und der Geruch?«
    »Ganz normal. Reinigungsmittel wär mir aufgefallen.«
    »Gepäck? Eine Videokamera?«
    »Nur ein Laptop.«
    »Interessant.« Tyler blickte durch das Rückfenster. »Und da drinnen?«
    »Irgendein Rasierwasser. Teuer. Der Typ stinkt förmlich danach.« Er schnitt ein Gesicht. »Der hat's in sich, Sir. Seinem Führerschein zufolge ist er fünfundvierzig, aber er will unbedingt für dreißig durchgehen. An dem ist nichts echt, wenn Sie mich fragen.« Ein nachdenklicher Ausdruck flog über sein Gesicht. »Knallhart... hat nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich ihm die Autotür aufgemacht hab.«
»Hatte er was gegen die Durchsuchung des Kofferraums?««Nein. Er hat ihn mir selbst aufgemacht.«
    »Hat er gefragt, wonach Sie suchen?«
    »Nein.«
    »Interessant«, sagte Tyler wieder.
Konferenzraum, Hotel Hilton
    Ob echt oder unecht, Tyler verstand augenblicklich, warum Laura Biddulph auf Edward Townsend geflogen war. Bartloses, braun gebranntes Gesicht. Muskulöse Arme und Schultern. Kurz geschnittenes Haar. Neben Tyler mit seinem robust zottigen Bernhardiner-Look nahm er sich aus wie Barbies bronzeglatter Ken. (Vielleicht die Erklärung dafür, warum eine Achtzehnjährige mit der Mentalität einer Zwölfjährigen wie Franny Gough ihn anziehend fand, dachte Tyler grimmig.) Aber er war zu synthetisch, um die Aufmerksamkeit länger fesseln zu können. Das Auge sehnte sich nach interessanter Eigenart – Lachfältchen, Charakterlinien –, nach irgendetwas, das nicht dem Traum einer nach Liebe ausgehungerten Frau von männlicher Schönheit entsprach.
    Doch das Bild vermochte nur aus der Ferne zu blenden. Bei näherem Hinsehen wunderte es Tyler nicht, dass die Beziehung zwischen diesem Mann und Franny Gough den Argwohn des Hoteldirektors auf Mallorca geweckt hatte. Das Haar sah gefärbt aus, die Sonnenbräune stammte beinahe mit Sicherheit aus der Tube, und die unsteten, blassen Augen hielten niemandes Blick länger als eine Sekunde stand. Tyler bemühte sich bewusst, den Mann objektiv zu betrachten – es wäre zu einfach gewesen, sich vom Vorurteil leiten zu lassen –, trotzdem spürte er nichts als innere Abwehr. Vielleicht lag es an dem Rasierwasser.
    Zwei uniformierte Beamte, die mit verschränkten Armen und gleichmütigen Gesichtern die Tür flankierten, traten zur Seite, um Tyler und Butler vorbei zu lassen. In der Mitte des Raums stand ein langer Konferenztisch, Schreibblöcke darauf, Stühle rundherum, an einem Ende eine Kaffeemaschine und Geschirr. Am anderen Ende saß Townsend, in Hemdsärmeln, das Jackett hinter sich über der Stuhllehne, den Laptop aufgeklappt vor sich. Über den Bildschirmschoner glitt eine Wolkenlandschaft.
    »Chief Inspector Tyler und Sergant Butler, Kriminalpolizei. Wir ermitteln im Fall der vermissten Amy Biddulph«, sagte Tyler, zog sich neben dem Mann einen Stuhl heran, setzte sich, schlug die Beine übereinander und stützte einen Ellbogen auf den Tisch. Butler nahm gegenüber Platz. »Verbindlichen Dank, dass Sie gleich zu diesem Gespräch bereit waren, Sir.«
    »Mir hat niemand

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