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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gesagt, dass ich eine Wahl habe.« Es war die Stimme, die Tyler am Handy gehört hatte, wenn auch das Cockney nicht so deutlich herauszuhören war wie am Telefon. Gehörte auch seine Herkunft zu den Dingen, die er verheimlichen wollte?, fragte sich Tyler. Er glänzte jedenfalls mit allem, was einen Selfmademan auszeichnete: BMW, Rolex, Armani-Anzug.
    »Fälle wie dieser sind immer schwierig«, erklärte Tyler zweideutig. »Wir müssen sicher stellen, dass wir möglichst unverzüglich an die Personen herankommen, die uns helfen können.«
    »Ich bin gern bereit, Fragen zu beantworten. Amy ist ein liebes kleines Mädchen. Ich würde alles tun, um ihr zu helfen. Ich habe diese Herren –« er wies auf die beiden uniformierten Constables –»lediglich gebeten, mir zu gestatten, den restlichen Teilnehmern an der anstehenden Besprechung die Situation kurz zu erklären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein berechtigter Grund ist, mich hier festzuhalten, Inspector.«
    »Wir haben es den Herrschaften bereits für Sie erklärt, Sir«, gab Tyler freundlich zurück. »Sie sind gern bereit zu warten, bis wir hier fertig sind. Sie sind sich alle darin einig, dass man eine kleine Verzögerung in Kauf nehmen kann, wenn das Leben eines Kindes auf dem Spiel steht.«
    Die blassen Augen berührten ihn flüchtig. »Was haben Sie den Leuten erzählt?«
    »Dass Sie uns wichtige Informationen über Amy Biddulph liefern können, und wir deshalb so bald wie möglich mit Ihnen sprechen müssen.«
    »Was für wichtige Informationen?«
    »Aus der Zeit, als die Kleine und ihre Mutter bei Ihnen lebten. So weit mir bekannt ist, haben Sie mehrere Videobänder von Amy aufgenommen. Wir wären Ihnen verbunden, wenn Sie uns die überlassen würden, Sir. Filme sind uns nützlicher als die Fotografien, mit denen wir im Augenblick arbeiten. Den Leuten fällt es leichter, eine Person auf einem bewegten Bild zu erkennen.«
    Er machte ein amüsiertes Gesicht. »Die Bänder gibt es nicht mehr. Laura hat sie zerschnitten und mir die Schnipsel im Wohnzimmer auf dem Boden hinterlassen, als sie ausgezogen ist. Hat sie Ihnen das nicht erzählt?«
    Tyler war verunsichert. Bei Ermittlungen wie dieser war nie genug Zeit. Immer blieben zu viele Fragen ungefragt. »Nein.«
    »Tja, dann muss ich Sie leider enttäuschen.«
    Tyler nickte. »Woher wissen Sie, dass Laura alle Bänder gefunden hat? Wissen Sie noch, wie viele Sie damals aufgenommen haben?«
    »Ja, das weiß ich sogar sehr genau. Ich habe nämlich immer wieder dieselben drei Bänder benutzt. Ich habe Amy sowieso nur gefilmt, weil es ihr Spaß machte, sich in Szene zu setzen und weil sie sich im Fernsehen anschauen wollte.«
    »Warum haben Sie sie dann nackt in der Badewanne aufgenommen?«
    Er antwortete mit einem lockeren Lachen. »Gute Akustik und ein Schwamm als Mikrofon. Sie hat ‘
Like a Virgin’
gesungen. Volle Pulle. Und gar nicht schlecht. Die Kleine hat wirklich Talent.«
    »Was ist aus den Aufnahmen geworden, die Sie von Laura gemacht haben?«
    Townsend lachte wieder. Seine Augen zogen sich zu verschmitzten Schlitzen zusammen. Er war sehr locker. Charmant beinahe. »Aber Inspector! Die werden Ihnen bestimmt nicht helfen, Amy zu finden. Sie war auf keinem der Bänder drauf. Das wenigstens muss Laura Ihnen doch gesagt haben. Unter uns gesagt, das waren keine Filme, in die man ein Kind mit hineinnehmen würde.«
    »Ja, soviel habe ich auch schon begriffen. Sie scheinen ziemlich scharf gewesen zu sein. Ich vermute, Sie haben sie aufbewahrt?«
    »O nein«, antwortete er ohne Zögern, »aus alten Beziehungen hebe ich nie etwas auf, Inspector. Ich habe die Bänder wiederverwendet.«
    »Wofür?«
    Er dachte einen Moment nach. »Wahrscheinlich auf einer unserer Baustellen in Guildford. Wir hatten dort Probleme, es verschwand immer wieder Material, deshalb habe ich eine Kamera installieren lassen. Den Arbeitern passt es nicht, aber was andres blieb mir nicht übrig, wenn ich mich nicht weiter bestehlen lassen wollte.«
    Die Männer, die auf dem Bau arbeiteten, waren nach Tylers Erfahrung rüde Burschen, die einem in die Augen sahen, wenn sie mit einem redeten. Deswegen waren sie nicht ehrlicher oder aufrichtiger als andere, aber sie waren direkter, und es hätte Tyler interessiert, was Townsends Leute von ihrem Arbeitgeber hielten.
    »Wie kommt es, dass Sie bezüglich der Aufnahmen von Amy so sicher sind und bezüglich der von Laura so unsicher?«
    »Von Laura habe ich weit mehr Bänder aufgenommen –

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