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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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schrie sie, packte ihn bei seinem Pferdeschwanz und riss ihn in die Höhe. »Was machst du da, du Idiot?« Sie schlug ihm das Feuerzeug aus der Hand. »Das da drüben ist mein Haus, und da sind meine Kinder drinnen.«
    »Hau ab«, knurrte er sie wütend an und versuchte, sich ihrer Hand zu entwinden.
    Sie schlug ihm mit der anderen Hand auf den Kopf und riss ihn vor seinen Freunden herum. »Seid ihr alle total bescheuert oder was?« rief sie. »Woher habt ihr die Flaschen? Von wem stammt diese Scheißidee?« Sie zerrte Kevins Kopf nach hinten. »Sie kann ja nur von dir und Wesley stammen! Ihr seid die Einzigen, die so dumm sind.«
    »Warum hackst du immer auf mir rum?«, fragte der Junge mit dem von Alkohol erhitzten Gesicht verdrossen. »Es machen doch alle mit.«
    Melanie schaute gehetzt um sich, um zu sehen, ob er die Wahrheit sprach. »Wenn ihr hier Benzinbomben schmeißt, geht die ganze Straße in Flammen auf. Und wer soll das Feuer dann löschen? Glaubt ihr vielleicht, die Arschlöcher da auf den Barrikaden lassen Feuerwehrwagen durch?«
    »Es war doch deine Idee, Mel«, entgegnete er, entriss sein Haar ihrer Hand und sprang von ihr weg. »Du hast gesagt, dass du die Kinderficker los haben willst, und jetzt kriegst du, was du wolltest.« Er nickte Wesley zu, der hinter ihr stand, und lachte, als ein Freund ihm ein anderes Feuerzeug zuwarf. »Wir verbrennen sie. Für dich, Mel.«
    Sie wollte sich auf ihn stürzen, aber Wesley hielt sie fest. »Und was ist mit Amy?«, rief sie. »Wollt ihr die auch verbrennen?«
    »Die ist da gar nicht drin.«
    »Sie ist an der Haustür gesehen worden.«
    »Ist doch scheißegal«, erklärte er unbekümmert. »wenn sie drin ist, ist sie sowieso nur noch ne Leiche im Keller, da kannste dich drauf verlassen. So geht das nämlich, Mel. Perverse bringen kleine Kinder um. Und wir bringen Perverse um.« Grinsend steckte er den Stofffetzen an und nahm die Flasche in die rechte Hand, um sie in Richtung des eingeschlagenen Fensters von Nummer 23 zu werfen.
    Er wusste sehr wenig darüber, wie man einen Molotow-Cocktail baut, und seine Reaktionen waren deutlich verzögert, weil er betrunken war. Er wusste nicht, wie schnell ein Flaschenhals sich erhitzt, wenn sich in seinem Inneren Benzin entzündet. Er wusste nicht, wie gefährlich ein Molotow-Cocktail dem Werfer werden kann. Amateure haben kaum eine Vorstellung davon, wie so ein Brandkörper funktioniert – dass es darauf ankommt, das Benzin so lange in der Flasche eingeschlossen zu halten, bis diese beim Aufprall zerspringt. Kevin jedenfalls hatte von Wert und Nutzen eines Schraubverschlusses so wenig Ahnung wie von der Tatsache, dass es ratsam war, den Stofflappen um den Hals der Flasche zu schlingen anstatt ihn hineinzuschieben.
    Die Menschen um ihn herum schrien erschrocken, als er aufheulend vor Schmerz die Flasche fallen ließ, die mit einem lauten Knall zu seinen Füßen zersprang. Sogleich war er in lodernde Flammen gehüllt. Wie Kräuselwellen sich in einem See ausbreiten, wenn ein Stein ins stille Wasser fällt, so trieb es die panische Menge in gewaltigen Wogen auseinander, weg von ihm. Seine Freunde, selbst in Flammen, da sie der explodierenden Flasche zu nahe gewesen waren, sprangen wild um sich schlagend zurück; Frauen und Kinder schrien, als sie in die Menschenmauer hinter ihnen gestoßen wurden.
    Nur Melanie blieb, von den Körpern seiner Freunde geschützt, wo sie war, wie gebannt vom Anblick des Feuerballs zu ihren Füßen. Sie hatte Zeit für den Gedanken, dass sie Kevin Charteris eigentlich überhaupt nicht mochte. Seinem schlechten Einfluss war es zuzuschreiben, dass Colin zwanzigmal wegen Diebstahls und mutwilliger Zerstörung fremden Eigentums festgenommen worden war. Er war so verroht, dass er zusammen mit Wesley Barber dessen Mutter zweimal krankenhausreif geschlagen hatte.
    Aber sie kannte ihn – der Junge, der da in Flammen stand, war kein Fremder –, und das konnte sie nicht einfach vergessen.
    Auch sie schrie – sie konnte gar nicht anders –, aber mitten in der allgemeinen Panik besaß sie die Geistesgegenwart, sich die Jacke herunterzureißen und sich auf Kevin zu werfen, um ihn mit ihrem Gewicht zu Boden zu drücken und in das Leder einzuhüllen. Sie wälzte ihn von einer Seite auf die andere, um das Feuer zu ersticken, während ihr fast übel wurde vom Gestank seiner brennenden Haare, und ihr von der Hitze des lodernden Benzins auf dem Asphalt die Augen tränten. Sie nahm wahr, dass Leute kamen und

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