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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gesucht wird: Edward Townsend
    >Gemeldeter Wohnsitz: The Larches, Hayes Avenue, Southampton
    >Wurde zuletzt am 27. 07. 01 um drei Uhr morgens im Hotel Bella Vista, Puerto Soller, Mallorca gesehen
    >Rückkehr nach London Luton am Freitagmorgen mit Flug EZY0404, Ankunft 8 Uhr 25
    >Gemeldeter PKW: Schwarzer BMW – W789ZVV
    >Wird irgendwo in Südengland vermutet
    >Ist möglicherweise mit einem Kind unterwegs

16

Glebe Tower, Bassindale
    Jimmy James verlor langsam die Geduld mit dem Notarzt am anderen Ende der Leitung. Er hatte fünf Minuten warten müssen, bis die Zentrale des Rettungsdiensts sich gemeldet hatte, und nun würden die Batterien seines Handys bald leer sein. Was war das für ein Saftladen, den diese Leute betrieben? Jedes Mal, wenn er eine Anweisung befolgt hatte, verlangte der Mann was Neues. Er hatte die Polizeibeamtin vorsichtig auf die Seite gebettet und sich vergewissert, dass ihre Atemwege nicht blockiert waren. Er hatte Atmung, Herz und Puls geprüft. Er hatte versucht, sie zu Bewusstsein zu bringen – ohne Erfolg.
    Und jetzt verlangte der Kerl auch noch, er solle feststellen, wo genau die Verletzung sich befand.
    »Hören Sie, Kumpel, wie soll ich zur gleichen Zeit mit Ihnen reden und feststellen, wo das Blut herkommt?«, schnauzte er den Mann an, während er auf seine rechte Hand hinuntersah, die voller Blut war. Er spürte, wie ihm das Mittagessen hoch kam. »Sie haben leicht reden, Sie sind so was gewöhnt, aber für mich ist das kein Honiglecken, das sag ich Ihnen. Hier ist überall Blut. Ich muss erst mal ihre Haare auf die Seite schieben, und das kann ich nicht, wenn ich ein beschissenes Telefon in der Hand hab. – Ja, okay – okay... Ich leg Sie jetzt mal ab.«
    Er legte das Handy hinter sich auf den Fußboden und teilte leise fluchend mit beiden Händen so behutsam wie möglich das blutverklebte blonde Haar am Hinterkopf der Frau, wo das bereits verkrustende Blut am dicksten zu sein schien. Dann griff er wieder nach dem Telefon und brüllte wütend, »Scheiße«, als es ihm aus der glitschigen Hand rutschte. Auf die erschrockenen Fragen des Arztes rief er gereizt, »Ja, natürlich ist was passiert! Ich hab gerade mein ganzes Handy mit Blut voll geschmiert. Ja... ja... tut mir Leid, aber mich macht das hier total fertig. Ich hab noch nie Blut sehen können. – Ja, in Ordnung – schon gut... Sie hat eine ziemlich tiefe Wunde am Hinterkopf... Ich weiß nicht – vielleicht fünf Zentimeter. – Ich kann nicht sagen, ob sie sonst noch Verletzungen hat, da müsste ich sie umdrehen... Herrgott noch mal, sie hat lange Haare und die hängen ihr überall ins Gesicht.«
    Neuerliche Beunruhigung. »Nein, natürlich dreh ich sie nicht rum... Sie haben mir schon gesagt, wie gefährlich es ist, wenn ein Knochen das Gehirn durchstößt.« Er schnitt eine Grimasse. »Das größere Problem ist hier der Dreck, Kumpel... Dieser Scheißaufzug ist so verdreckt, dass sie garantiert an Blutvergiftung stirbt, wenn die Bakterien in ihre Wunde kommen. Die pinkeln hier sogar rein. Schuld ist nur die gottverdammte Gemeindeverwaltung. Wenn die hin und wieder mal was springen lassen würden, um eine Putzkolonne herzuschicken... Ja, ja – okay... Ich bin ja schon dabei.«
    Er legte das Telefon wieder nieder und hob dichte Haarsträhnen aus dem Gesicht der Frau. Es war ihm bis jetzt verborgen gewesen, und er sah überrascht, wie hübsch es war – blass und zart wie das einer viktorianischen Porzellanpuppe, in den Wangen ein schwacher rosiger Hauch, Beweis, dass noch Leben vorhanden war. Vorsichtig betastete er den Teil ihres Kopfs, der auf dem Boden ruhte, aber an seinen Fingern haftete, als er sie wegzog, nicht mehr Blut als zuvor.
    »So weit ich feststellen kann, hat sie nur diese eine Verletzung«, sagte er, das Handy wieder am Ohr, »und da scheint sich schon Schorf zu bilden... nein, natürlich hab ich keinen Verband... Glauben Sie vielleicht, ich schlepp dauernd beschissenes Verbandszeug mit mir rum?« Er verdrehte theatralisch die Augen. »Was soll das heißen – schauen Sie, ob Sie irgendwo einen Erste-Hilfe-Kasten bekommen? Ich bin schwarz wie die Nacht, Kumpel, und voll mit Blut verschmiert. Schalten Sie mal Ihr Hirn ein... Ich geh doch in dieser Bruchbude nicht von Tür zu Tür hausieren. Die meisten hier sind zwischen achtzig und der Verwesung, die trifft sofort der Schlag, wenn plötzlich ein blutverschmierter Nigger bei ihnen aufkreuzt... und die anderen sind Nazibuben, die mir gleich ein Messer

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