Der Nacht ergeben
hatte sich mit ihren Freunden auf den Rücksitz gezwängt.
Sie sprachen nicht, nicht einmal, als sie an den ausgebrannten Rümpfen von Häusern und Geschäften vorbeikamen. Brände gab es heute keine und Claire konnte auch keinen Mob entdecken. Alles schien ruhig zu sein.
Richard steuerte vor dem Rathaus an einer Polizeiabsperrung vorbei und parkte in dem unterirdischen Parkhaus. »Ich bringe Monica zu meinen Eltern«, sagte er. »Ihr geht hinunter zu den Zellen. Ich komme in einer Minute nach.«
Sie brauchten weit mehr als eine Minute, um Zugang zu Michael zu erhalten; die Vampire - alle fünf die die Menschen noch immer in Gewahrsam hatten - waren in einer speziellen Abteilung in verstärkten Zellen ohne Tageslicht untergebracht. Claire versetzte es einen unangenehmen Stich, weil er sie an die Vampire in den Zellen erinnerte, in denen auch Myrnin für gewöhnlich zu seinem eigenen Schutz eingesperrt war. Hatte irgendjemand sie gefüttert? Hatte es überhaupt jemand versucht?
Drei der Vampire kannte sie nicht, aber die nächsten beiden schon. »Sam!«, platzte sie heraus und eilte zu den Gitterstäben. Michael Großvater lag auf einer Pritsche, seine bleiche Hand über die Augen gelegt; aber als sie seinen Namen rief, setzte er sich auf. Claire konnte die Ähnlichkeit zwischen Michael und Sam klar erkennen - derselbe einfache Knochenbau, nur dass Michaels Haare golden schimmerten, während Sams rot waren.
»Holt mich hier raus«, sagte Sam und stürzte zur Tür. Er rüttelte mit unerwarteter Heftigkeit an seinem Käfig. Claire wich mit offenem Mund zurück. »Mach die Tür auf und lass mich raus, Claire! Sofort! «
»Hör nicht auf ihn«, sagte Michael. Er lehnte an den Gitterstäben seiner eigenen Zelle und sah erschöpft aus. »Hey, Leute. Habt ihr mir einen Dietrich in einem Törtchen mitgebracht oder so etwas?«
»Ich hatte das Törtchen schon, aber dann habe ich es gegessen. Schwere Zeiten, Mann.« Shane streckte die Hand aus. Michael fasste durch die Gitterstäbe und schüttelte sie feierlich, dann warf sich Eve gegen das Metall und versuchte, ihn zu umarmen. Es war ein linkischer Versuch, aber Claire merkte, wie sich bei Michael Erleichterung ausbreitete, gleichgültig wie sonderbar das mit den Gitterstäben zwischen ihnen wirkte. Er küsste Eve und Claire musste wegschauen, weil es ein so intimer Moment zu sein schien.
Sam rasselte wieder am Käfig. »Claire, mach die Tür auf! Ich muss zu Amelie!«
Der Polizist, der sie hinunter zu den Zellen begleitet hatte, stieß sich von der Wand ab und sagte: »Beruhigen Sie sich, Mr Glass. Sie gehen nirgendwohin, das wissen Sie genau.« Er wandte seine Aufmerksamkeit Claire und Shane zu. »So war er von Anfang an. Wir mussten ihm schon zweimal Beruhigungsmittel verabreichen, weil er sich beim Versuch auszubrechen verletzt hat. Er ist schlimmer als alle anderen. Sie scheinen sich beruhigt zu haben. Er nicht.«
Nein, Sam hatte sich ganz sicher nicht beruhigt. Als Claire ihn anschaute, spannte er seine Muskeln an und versuchte, das Schloss aufzustemmen, ließ dann keuchend und frustriert davon ab und ging zurück zu seiner Pritsche. »Ich muss hier raus«, murmelte er. »Bitte, ich muss weg. Sie braucht mich. Amelie...«
Claire schaute Michael an, der nicht halb so verzweifelt wie Sam wirkte. »Ähm... entschuldige, dass ich frage, aber... fühlst du dich auch so? Wie Sam?«
»Nein«, sagte Michael. Er hatte die Augen noch immer geschlossen. »Eine Zeit lang spürte ich diesen... Ruf, aber vor etwa drei Stunden hat es aufgehört.«
»Warum ist dann Sam...«
»Es ist nicht der Ruf«, sagte Michael. »Es liegt an Sam. Es bringt ihn um zu wissen, dass sie irgendwo da draußen in Schwierigkeiten steckt und er ihr nicht helfen kann.«
Sam legte den Kopf in die Hände, ein Häufchen Elend. Claire wechselte einen Blick mit Shane. »Sam«, sagte sie. »Was passiert? Weißt du es?«
»Menschen sterben, das passiert«, sagte er. »Amelie steckt in Schwierigkeiten. Ich muss zu ihr gehen. Ich kann nicht einfach hier herumsitzen!«
Er warf sich wieder gegen die Gitterstäbe und trat so heftig dagegen, dass das Metall schepperte wie eine Glocke.
»Nun, Sie müssen aber da drinbleiben«, sagte der Polizist, der eigentlich ganz sympathisch war. »So wie Sie sich aufführen, würden Sie geradewegs hinaus in die Sonne rennen, und das würde jetzt weder ihr noch Ihnen helfen, oder?«
»Ich hätte schon Stunden vor Sonnenaufgang weg sein können«, fuhr Sam ihn an.
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