Der Nacht ergeben
man ihn wahrscheinlich den manisch-depressiven Rächer nennen.«
Das Problem war die Medizin. Claire musste mehr davon besorgen und an diesem Heilmittel weiterarbeiten, das Myrnin gefunden hatte. Das war ebenso wichtig wie alles andere auch... immer vorausgesetzt, es würden überhaupt ein paar Vampire übrig bleiben.
Sie aßen zu Abend, wenigstens waren sie jetzt wieder zu viert; sie saßen um den Tisch herum und plauderten, als wäre die Welt normal, auch wenn sie wussten, dass das nicht stimmte. Shane schien außergewöhnlich schreckhaft zu sein, was ihm gar nicht ähnlich sah..
Was Claire anging, hatte sie einfach nur die Nase gründlich voll vom Angsthaben, und als sie nach oben gegangen und unter die Decke gekrochen war, schlief sie augenblicklich ein.
Das bedeutete aber nicht, dass sie ruhig und friedlich schlief.
Sie träumte, dass Amelie irgendwo Schach spielte und ihre Figuren mit Lichtgeschwindigkeit über das schwarz-weiße Brett schob. Ihr gegenüber saß Bishop und grinste, wobei er zu viele Zähne zeigte. Als er ihren Turm nahm, verwandelte sich dieser in eine Miniaturausgabe von Claire und plötzlich waren die beiden Vampire riesig und sie war so klein, so winzig, und irgendwo auf der freien Fläche gestrandet.
Bishop nahm sie und quetschte sie in seiner weißen Hand aus. Blutstropfen fielen auf die weißen Quadrate des Schachbretts.
Amelie machte ein finsteres Gesicht, während sie zusah, wie Bishop sie auspresste. Dann berührte sie mit einem ihrer feingliedrigen Finger die Blutstropfen. Claire strampelte und schrie.
Amelie kostete von ihrem Blut und lächelte.
Claire wachte mit einem krampfartigen Schaudern und verstrickt in ihre Decken auf. Draußen vor dem Fenster war es noch dunkel, auch wenn es am Himmel schon ein wenig heller wurde; im Haus war es sehr, sehr still.
Auf dem Nachttisch vibrierte ihr Handy. Sie griff danach und las eine SMS vom Meldesystem der Universität.
***
UNTERRICHT FINDET NACH DEM NORMALEN STUNDENPLAN STATT. GÜLTIG AB HEUTE 7 UHR.
***
Es kam ihr vor, als wäre die Universität eine Million Meilen entfernt, in einer anderen Welt, die keine Bedeutung mehr für sie hatte. Aber sie würde auf den Campus kommen, wo sich Dinge befanden, die sie brauchte. Claire scrollte durch ihr Adressbuch und fand Dr. Robert Mills, erhielt aber auf seinem Handy nicht gleich eine Antwort. Sie schaute auf die Uhr und zuckte zusammen, weil es noch so früh war, aber sie schlüpfte aus dem Bett und begann, Wäsche aus ihren Schubladen zusammenzusuchen. Das dauerte nicht lange, denn von allem war nur noch ein letztes Stück übrig. Wäschewaschen erlangte allmählich oberste Priorität.
Als sie sich angezogen hatte, wählte sie noch einmal Mills Nummer.
»Hallo?« Dr. Mills klang, als hätte sie ihn aus einem tiefen, vermutlich seligen Schlummer gerissen. Er hatte wahrscheinlich nicht geträumt, dass er von Mr Bishop ausgepresst wurde.
»Hier ist Claire«, sagte sie. »Tut mir leid, dass ich so früh anrufe ...«
»Ist es noch früh? Oh. Ich war die ganze Nacht wach und bin gerade erst eingeschlafen.« Er gähnte. »Schön, dass es dir gut geht, Claire.«
»Sind Sie im Krankenhaus?«
»Nein, In das Krankenhaus muss eine Menge Arbeit hineingesteckt werden, bevor es auch nur halbwegs für die Art von Arbeit bereit ist, die ich zu erledigen habe.« Ein weiteres herzhaftes Gähnen. »Entschuldige. Ich bin auf dem Campus im Gebäude der Biowissenschaften. Labor siebzehn. Wir haben hier ein paar Rollbetten.«
»Wir?«
»Meine Frau und meine Kinder sind bei mir. Ich wollte sie da draußen nicht allein lassen.«
Das konnte Claire verstehen. »Ich habe Arbeit für Sie und ich brauche etwas von der Droge«, sagte sie. »Es könnte wirklich wichtig sein. Ich bin in etwa zwanzig Minuten an der Uni, okay?«
»Okay. Komm nicht hierher. Die Kinder schlafen gerade. Treffen wir uns irgendwo anders.«
»Die Cafeteria auf dem Campus«, sagte sie. »Sie ist im University Center.«
»Glaub mir, ich weiß, wo sie ist. In zwanzig Minuten.«
Sie war bereits auf dem Weg zur Tür.
Aus den anderen Zimmern war kein Laut zu hören, deshalb nahm Claire an, dass ihre Mitbewohner erschöpft schliefen. Sie wusste auch nicht, warum sie selbst nicht mehr schlief, außer dass sie tief in ihrem Inneren die unterdrückte, vibrierende Angst fühlte, dass etwas Schlimmes passieren würde, wenn sie jetzt noch weiterschliefe.
Nachdem sie geduscht und ihre letzten, nicht mehr ganz so guten Klamotten angezogen
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