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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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musste sie mit den nackten Füßen in die Blutlache hinein. Es fühlte sich an wie warmes Wasser. Die Priesterin konnte allem Anschein nach erst wenige Augenblicke tot sein. Wie lange mochte das Blut nach dem Tod in dieser Geschwindigkeit weiter fließen?
    Da sah Annanaka ihr direkt in die Augen.
    Dadalore fuhr zusammen.
    Furuja hilf, die Schamanin lebte noch.
    Ein Ruck lief durch die Priesterin, ihre Arme zuckten hoch, gierige Klauen vergruben sich in Dadalores Kleidung. Ein Röcheln entrann ihrer zerstörten Kehle. Jetzt begriff Dadalore: Die Priesterin wollte ihr etwas sagen! Die Capitalobservatorin beugte sich herunter, die Worte waren kaum zu verstehen: »der ... Kopf ... lenkt ... was ... soll ... es ...«
    Die Stimme erstarb und Dadalore sah die Sterbende an. Sie wollte ein paar tröstende Worte sagen, doch es kam ihr nichts über die Lippen.
    Annanakas Augen weiteten sich plötzlich, als sehe sie etwas unbeschreiblich Entsetzliches nahen.
    Dann war sie tot.
    Dadalore biss die Zähne zusammen. Sie hatte nun ihre Arbeit zu tun. Die Capitalobservatorin vermied es, den gebrochenen Blick der Toten zu erwidern. Sie tastete den Körper von Kopf bis Fuß ab. Es waren keine weiteren Verletzungen vorhanden. Die Tote trug Armbänder, Fußkettchen und sogar einen Schmuckstecker im Bauchnabel. Alle Stücke waren aus Gold und wiesen neben verschlungenen Mustern das Symbol Furujas, die grinsende Häsin, auf.
    Als Dadalore ihre grausige Arbeit getan hatte, sah sie aus, als hätte sie selbst die Verstorbene auf dem Gewissen. Die Capitalobservatorin blickte sich um, ob nicht irgendwo ein Tuch herumläge. Da sie keines fand, nahm sie eines der Kissen vom Diwan und wischte sich daran wenigstens die Hände ab. Dennoch sahen ihr Rettarock und vermutlich auch ihre Haare aus, als komme sie direkt vom Schlachtfeld.
    Wenn man sie so hier fand, würde man sie unweigerlich für die Mörderin halten. Ob der wirkliche Täter noch vor Ort war? Dadalore sah die beiden weiteren Türen an, die aus dem Raum führten. Aber es war müßig. Sie wusste nun, über welche Macht ihre Feinde geboten. Geister, Götter und Dämonen brauchten sich vermutlich nicht im Ankleidezimmer zu verstecken.
    Was sie nicht mehr wusste, war, wer nun hinter all dem stecken sollte. Annanaka, der Kopf der Verschwörung, lag tot vor ihr. Das ergab keinen Sinn.
    Die Capitalobservatorin sah sich im Raum um. Es waren noch mehr Kerzen umgefallen. Es könnte ein Kampf stattgefunden haben, vielleicht waren es aber auch nur Todeszuckungen gewesen, bevor Annanaka die Kraft verließ.
    Der Kopf der Verschwörung. Die Sterbende hatte etwas von einem Kopf gesagt. Der Kopf lenkt. Was, beim Abgrund, sollte das bedeuten? Das taten Köpfe doch immer.
    Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass diese ganze Sache zu groß für sie war. Eine Verschwörung in höchsten Kreisen. Magische Macht, die schier grenzenlos schien. Und ihre Ermittlungen waren gerade, als sie die Drahtzieherin zu kennen glaubte, auf null zurückgeworfen worden.
    Wie von allein schwebte ihre Finger zur Tasche mit dem Lakaien darin. Er würde ihr Trost und Kraft und neuen Mut spenden.
    Nein!
    Dadalore ballte die Fäuste.
    Sie war unten im Gewölbe allein gewesen, ganz allein mit ihrer Furcht. Welche Dämonen die Verschwörer auch immer entfesseln mochten, sie wären schwächliche Gnome und kraftlose Gespenster im Vergleich mit ihren inneren Dämonen!
    Die Capitalobservatorin fasste nach dem goldenen Affen auf ihrer Brust. Es ging kein Trost davon aus.
    Was mochte Annanaka in ihren letzten Augenblicken gesehen haben? Vielleicht hatte sie in die tiefsten Tiefen des Abgrunds geblickt. Vielleicht hatte sie begriffen, dass die Menschen auf dem Urgrund ihrer Seele immer allein sind.
     
     
    König Gowofred
     
     
    »Ihr sprecht von Ihrer Majestät , Imperator der Mittleren Welt. Selbstverständlich ist Ihre Majestät nicht für jede Dahergelaufene zu sprechen.« Die Worte Patmelus wurden von einem Lächeln begleitet.
    Acht goldbetrasste Krieger standen Spalier vor der Tür zum Thronsaal. Der neunte war Prinzipalprotektor Patmelu-Wer-vergibt-versagt. Er hatte sich vor Dadalore aufgebaut. Und er mühte sich redlich, Dadalore begreiflich zu machen, dass sie Abschaum war. Abschaum von der Sorte, die an guten Tagen anderem Abschaum die Füße küssen durfte.
    »Ich bin auch keine Dahergelaufene«, fauchte sie. »Obschon ich mich frage, wie man sonst zu Ihrer Majestät gelangt, vielleicht schwimmend?«
    »Was Euch an Würde und

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