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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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einen Feind lange hören, bevor er hier war, und könnte ihn aus dem Hinterhalt mit dem Säbel angreifen. Das musste als Sicherheit genügen.
    Sie brauchte eine Pause, weil in ihrem Kopf ein wildes Durcheinander von Eindrücken und Erlebnissen herrschte.
    Warum zum Abgrund war der König nicht explodiert?
    Er war immer näher gekommen. Sein schwarz-weißer Umhang hatte im Wind geweht, ein Teil der Schleppe war über den Bühnenrand herunter gefallen. Er hatte den Sonnensegen erteilt, seine Perlmaske hatte sich glitzernd über dem freundlichen Antlitz bewegt.
    Und genau jetzt hätte er eigentlich detonieren müssen. Hatte Ghalikan den König angelogen? Gab es diese Sicherung vielleicht gar nicht? Das wäre durchaus möglich, immerhin war sie bereit, ihm alles zuzutrauen. Aber sie hatte auch seinen Ausdruck gesehen, als der König unverletzt an ihnen vorüber schritt. Der Hexenmeister hatte genau so erstaunt ausgesehen wie sie.
    Und warum war Annanaka tot? War sie der Kopf der Verschwörung gewesen oder war es Ghalikan?
    Annanaka hatte mit der Macht der Ruptu geliebäugelt, wie ihr Heidugun verraten hatte. Also war sie es wohl, die den unterirdischen Kultraum geöffnet und das Monster aus dem Ei befreit hatte. Den Sohn Exus, der Grinsenden Göttin, der Doppelgesichtigen Dämonin: den Nachtelfen. Dieser Nachtelf hatte sicherlich auch die sechs Morde begangen.
    Nachdenklich sah Dadalore auf die metallenen Stützpfeiler, die die Plattform über ihr trugen. Ursprünglich mussten es sechs gewesen sein, aber einer fehlte. Ein zweiter lag, durch gewaltige Kräfte herausgebrochen, am Boden. Das ganze Gewicht von Plateau und Ofen ruhte jetzt nur noch auf vier Pfeilern.
    Und plötzlich verstand sie.
    Das ganze schier unentwirrbare Knäuel begann sich vor ihren Augen zu entflechten. Alle Figuren des Spiels rutschten nach und nach in die richtige Position, bis das ganze Spielbrett klar und übersichtlich vor ihr lag. Wie blind sie doch die ganze Zeit gewesen war!
    Sie erhob sich und zog ihren Säbel.
    Sie hatte einen Mörder zu stellen.
     
    Dadalore hatte ihre Regel aufgegeben. Sie bewegte sich nun intuitiv durch den Leib des Kolosses. Folgte den rasselnden und knallenden Geräuschen, die irgendwo hinter Adern und Gedärmen aus Stahl ihren Ursprung hatten.
    Ihre zerquetschten Finger pochten ununterbrochen und wenn sie Stufen hinaufstieg oder ihren Schritt durch die endlosen Korridore beschleunigte, wurde es schlimmer. Aber es gab kein Erbarmen, sie musste nach oben.
    Wie hatte Annanaka gesagt? Der Kopf lenkt.
    Die Geräusche wurden lauter. Sie musste auf dem richtigen Weg sein. Auch wenn sie die Quelle des Krachs eigentlich viel weiter oben vermutet hatte. Dadalore nahm die nächsten Gänge im Laufschritt. Vor diesem Lärm waren ihre Schritte ohnehin nicht mehr zu hören. Die Wunde schmerzte abgrundtief.
    Jedoch erst nach einer ganzen Weile zügelte sie ihren Schritt. Der Lakai hatte inzwischen aufgehört zu wirken. Sie musste sorgsam mit ihren Kräften umgehen.
    Dadalore erreichte einen sechseckigen Raum, der einer Bienenwabe gleich, seinen honiggelb glühenden Schatz hütete.
    Aber entgegen ihrer Erwartung war die Capitalobservatorin allein hier.
    Im Zentrum ragte eine Metallröhre auf, die zu ihrer Seite hin offen war. Darin sah man im Abstand von genau zwei Mannslängen jeweils eine Stahlplatte mit lautem Rasseln nach oben gleiten. Nach oben also.
    Dadalore bezog vor der Röhre Stellung. Die Öffnung war groß genug für einen Ruptu.
    Sie sprang.
    Die Capitalobservatorin landete auf einer nach oben sausenden Plattform und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu wahren. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Das Rasseln und Knallen war hier allgegenwärtig. Durch die offene Seite der Röhre sah sie unzählige wabenförmige Räume nach unten davonrasen. Sie würde beim Herausspringen aufpassen müssen, dass sie nicht an der Decke zerquetscht würde.
    Fußböden und Decken sausten vorbei, Stahlgeländer, Plateaus und Gitter in nicht enden wollender Abfolge. Manchmal aber fiel ihr Blick auch für Bruchteile von Augenblicken auf riesige Wasserbecken, pulsierende Öfen oder spitz zulaufende Hallen, in denen spiralförmig Unmengen an Tonkrügen aufgestapelt waren.
    Und wieder wabenförmige Räume. Boden. Decke. Boden. Decke. Boden. Decke. Boden. Decke. Waltumpe. Dadalore sprang.
     
    Die Drude der Kalunga reagierte mindestens ebenso schnell und schleuderte ihren Stock zu Boden. Mit einem magischen Knistern erhob er sich, zur

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