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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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träumten davon, ihm dieses Mysterium zu entreißen. Eines Tages nun sollte aus diesem Traum Wirklichkeit werden. Eine aufgebrachte Menschenmenge sammelte sich vor dem Turm des Eremiten und forderte lautstark die Preisgabe der ewigen Jugend. Doch die Tore des Turms blieben verschlossen, wie sie es immer waren, und der Alte, falls er denn nach all den Jahren noch immer darin war, schwieg. Da war es die Menge leid. Plötzlich hatten sie Fackeln und Messer in den Händen und einige schleppten einen schweren Pfahl herbei, um damit das Tor zu berennen. Sie konnten es nur ein einziges Mal. Das schwere Holz prallte gegen das Portal und flog zurück! Jene, die es getragen hatten, allesamt kräftige Männer und Frauen, wirbelten durch die Luft und landeten auf dem staubigen Vorplatz. Das Eingangstor aber begann zu knirschen. Das Geräusch lief rund um den gesamten Turm und siehe: Da war alles in Stein verwandelt, massiven Fels, den nur noch die Keule eines Riesen hätte sprengen können. Seitdem hat es niemand mehr gewagt, Hand an den Turm zu legen. Jener Tag ging als Tag des Trotzes in die Geschichte ein.« Bamulaus räusperte sich. »Ihr seht also, dass unser Unterfangen mit gewissem Widerstand rechnen muss.«
    Dadalore legte den Kopf ganz in den Nacken, um bis zur Turmspitze hinaufzusehen. Eine zwiebelförmige Kuppel glänzte in der Nachmittagssonne. »Das wird uns nicht aufhalten. Der Turm steht auf Reichsboden. Es gilt das Gesetz des Königs. Und der König duldet keinen Raum, der sich seinem Zugriff entzieht. Wenn wir als die Beamten des Königs Einlass begehren, hat man uns aufzutun.«
    Sie erreichten den Vorplatz des Turms. Es gab keine Marktbuden hier und auch keine Straßenhändler. Auch die Wohnhäuser schienen respektvoll Abstand zu halten. »Abgesehen davon darf man nicht jedem Gerücht Glauben schenken. Vermutlich ist der Alte längst tot und nur der pure Aberglauben hält die Leute noch fern.«
    Dadalore bedeutete ihren Begleitern, sich im Hintergrund zu halten. Sie selbst baute sich in der Mitte des Platzes auf. Dort zischte sie Bamulaus zu: »Wie hieß der noch?«
    »Rafikifred«, gab der Capitalprotektor zurück.
    »Und wie weiter?«
    »Nichts weiter.«
    »Was soll das heißen? Er muss doch einen Götternamen haben.«
    »Die Eremiten haben ihre Götternamen vor langer Zeit abgelegt. Ich glaube, sie gehörten einer seltsamen Sekte an.«
    Dadalore schüttelte den Kopf. Sie überlegte kurz, ob sie die Eingangstür oder die Turmspitze fixieren sollte, und entschied sich für einen willkürlichen Punkt irgendwo dazwischen. Weithin hörbar rief sie: »Rafikifred, letzter aller Eremiten, gebt Acht: Hier ist Dadalore-Was-soll-das-Dunkle-nachts, Capitalobservatorin Ihrer Majestät. Ich habe Euch in wichtiger Angelegenheit zu sprechen. Tut das Tor auf!«
    Sie wartete.
    Der Turm war komplett versteinert, wie es Bamulaus erzählt hatte. Und man konnte noch sehen, dass das Eingangsportal einst aus Holz gewesen sein musste, denn selbst die Maserung der Balken war noch haarfein im Fels erkennbar.
    Der verfluchte Eremit antwortete nicht.
    »Ich fordere Euch zum zweiten und letzten Mal auf, dass Tor zu öffnen! Ich warne Euch: Ich bin befugt, alle Macht des Imperiums in Anspruch zu nehmen, wenn es sein muss. Und danach werdet Ihr nicht nur befragt, sondern auch in Ketten gelegt.«
    Sie blickte den Turm herausfordernd an.
    Niemand antwortete ihr.
    Der Wind trieb den Staub auf und legte ihn ihr in einer abrupten Verwehung auf die Stiefel. Dadalore fluchte und schüttelte den Dreck ab. War das bloßer Zufall oder die Antwort des Eremiten? Gleichwie, sie war es leid, um Gehorsam gegenüber dem Gesetz betteln zu müssen. Mächtiger Zauberer hin oder her, der Alte hatte Tyrtallas Gebote zu respektieren. Sie drehte sich zu Bamulaus um. »Bereit halten zum Sturm!« Diesmal sprach sie laut und deutlich. Sollte der Eremit ruhig wissen, dass sie sich nicht einschüchtern ließ.
    Dadalore trat direkt vor das Steintor. Sie stemmte sich dagegen, doch es rührte sich keinen Finger breit. Fenster hatte der Turm hier nicht. Es gab keinen Weg hinein – und auch keinen hinaus. Wenn der Alte wirklich im Turm verblieben war, konnte er unmöglich noch am Leben sein. Selbst wenn die Gerüchte zutrafen: Was nützte einem die ewige Jugend, wenn man elend verhungerte?
    Die Capitalobservatorin spürte, dass sie schon zu lange vor dem Portal stand. Hinter ihr war das Tuscheln ihrer Untergebenen. Sie musste schnell etwas tun, damit aus diesem Auftritt

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