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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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Ordnung gehalten werden.«
    »Und wie lange machst du das schon?«
    »Was?«
    »Das alles aufbewahren … was für ein Unsinn das auch sein mag.« Er blättert das Buch durch, obwohl er merkt, dass er es eigentlich nicht mehr anfassen möchte.
    »Mein System geht bis zum Anfang des Zirkus zurück«, sagt Marco.
    »Damit manipulierst du ihn und uns alle, oder?«
    »Ich erledige nur meine Arbeit«, sagt Marco. Seine Stimme klingt jetzt gereizt. »Und, mit Verlaub, ich schätze es nicht, wenn Sie meine Bücher durchsehen, ohne mich zu informieren.«
    Chandresh geht um den Schreibtisch herum zu Marco, steigt über Baupläne und stolpert, aber seine Stimme bleibt fest.
    »Du bist mein Angestellter, ich habe jedes Recht zu sehen, was in meinem Haus vor sich geht und was mit meinen Projekten passiert. Du arbeitest für ihn, stimmt’s? Du hast das alles die ganze Zeit vor mir versteckt, du hattest kein Recht, hinter meinem Rücken zu handeln –«
    »Hinter Ihrem Rücken?«, fällt Marco ihm ins Wort. »Sie begreifen ja nicht mal annähernd, was hinter Ihrem Rücken vorgeht. Was schon alles hinter Ihrem Rücken vorgegangen ist, bevor das hier überhaupt anfing.«
    »So habe ich mir diese Vereinbarung nicht vorgestellt«, sagt Chandresh.
    »Bei dieser Vereinbarung hatten Sie nie die Wahl«, sagt Marco. »Sie haben keine Kontrolle und hatten sie nie. Und Sie wollten auch nie wissen, wie ich alles handhabe. Sie haben Belege unterschrieben, ohne sie auch nur anzusehen. Geld ist kein Thema, haben Sie gesagt. Ebenso wenig wie die Einzelheiten, die haben Sie immer mir überlassen.«
    Die Papiere auf dem Schreibtisch kräuseln sich, als Marco seine Stimme hebt. Er verstummt und tritt einen Schritt zurück. Die Unterlagen werden wieder zu unordentlichen Haufen.
    »Du hast dieses Unterfangen sabotiert«, sagt Chandresh. »Mir ins Gesicht gelogen. Und weiß Gott was in diesen Büchern aufbewahrt –«
    »Welche Bücher?«, fragt Marco. Chandresh blickt auf den Schreibtisch. Da sind keine Papiere, kein Stapel Kontenbücher. Ein Tintenfass steht neben der Lampe, die Messingstatue einer ägyptischen Gottheit, eine Uhr und die leere Brandyflasche. Sonst befindet sich nichts auf der glänzenden Holzfläche.
    Chandresh stolpert, blickt vom Schreibtisch zu Marco und zurück, nicht in der Lage, sich zu konzentrieren.
    »So lasse ich mich nicht von dir behandeln«, sagt Chandresh und fuchtelt Marco mit der Brandyflasche vor der Nase herum. »Du bist entlassen. Du verlässt auf der Stelle mein Haus.«
    Die Brandyflasche verschwindet. Chandresh stutzt und greift in die Luft.
    »Ich kann nicht gehen«, sagt Marco gelassen und beherrscht. Er spricht jedes Wort langsam aus, als müsse er einem kleinen Kind etwas erklären. »Ich darf nicht. Ich muss hierbleiben und mit diesem Unsinn , wie Sie es so treffend nennen, weitermachen. Sie werden sich wieder Ihrer Trinkerei widmen und auf Ihre Partys gehen und sich gar nicht mehr daran erinnern, dass wir dieses Gespräch geführt haben. Alles wird weitergehen wie immer. Genau das wird passieren.«
    Chandresh öffnet den Mund, um zu widersprechen, und schließt ihn dann verwirrt wieder. Er sieht von Marco zurück zu dem leeren Schreibtisch. Betrachtet seine Hand, öffnet und schließt die Finger, will etwas greifen, das nicht mehr da ist, kann sich aber nicht erinnern, was es war.
    »Tut mir leid«, sagt er zu Marco. »Ich … ich habe den Faden verloren. Worüber haben wir gesprochen?«
    »War nicht so wichtig«, sagt Marco. »Nur ein paar banale Einzelheiten über den Zirkus.«
    »Natürlich«, sagt Chandresh. »Wo ist der Zirkus jetzt?«
    »In Australien. In Sydney.« Seine Stimme bebt, aber er überdeckt es mit einem kurzen Husten, bevor er sich abwendet.
    Chandresh nickt nur geistesabwesend.
    »Darf ich die wegräumen?«, fragt Marco und zeigt auf die leere Flasche, die wieder auf dem Schreibtisch steht.
    »Oh«, sagt Chandresh. »Ja, ja, natürlich.« Er registriert kaum, wie er Marco die Flasche gibt, ohne sie oder ihn anzusehen.
    »Soll ich Ihnen eine neue holen?«
    »Ja, danke«, sagt Chandresh und schlendert aus Marcos Büro zurück in sein Arbeitszimmer. Dort setzt er sich in einen Ledersessel am Fenster.
    In seinem Büro sammelt Marco mit zitternden Händen die Notizbücher und Dokumente auf. Er rollt die Pläne zusammen, stapelt die Papiere und Bücher. Dann nimmt er das Silbermesser, das er weggeworfen am Boden findet, geht damit zur Dartscheibe im Arbeitszimmer und bohrt die Klinge ins

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