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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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zubereitet.
    »Warum hast du mir das nie erzählt?«, fragt Celia, als Tsukiko sich ihr gegenüber niedergelassen hat.
    »Dir was erzählt?«, fragt Tsukiko und lächelt über ihrem Tee.
    Celia seufzt. Sie fragt sich, ob Lainie Burgess damals in Konstantinopel, ebenfalls beim Tee, ähnlich verzweifelt war. Sie hätte nicht übel Lust, Tsukikos Teeschale zu zerschlagen, nur um zu sehen, was sie tun würde.
    »Hast du dich verletzt?«, fragt Tsukiko und nickt in Richtung der Narbe an Celias Finger.
    »Vor fast dreißig Jahren hat man mich an eine Herausforderung gebunden«, sagt Celia und nippt an ihrem Tee. »Zeigst du mir jetzt auch deine Narbe, nachdem du meine gesehen hast?«
    Tsukiko lächelt und stellt ihre Tasse vor sich ab. Dann dreht sie sich um und schiebt den Kragen ihres Kimonos nach unten. An ihrem Nacken, zwischen einer Vielzahl tätowierter Symbole und eingebettet in der Wölbung einer Mondsichel, befindet sich eine verblasste Narbe von der Größe und Form eines Rings.
    »Wie du siehst, bleiben die Narben länger, als das Spiel dauert«, sagt Tsukiko und rückt ihren Kimono um die Schultern gerade.
    »Sie stammt von einem Ring meines Vaters«, sagt Celia, doch Tsukiko bestätigt die Bemerkung weder, noch streitet sie sie ab.
    »Wie schmeckt dein Tee?«, fragt sie.
    »Warum bist du hier?«, kontert Celia.
    »Ich wurde als Schlangenfrau engagiert.«
    Celia stellt ihren Tee ab.
    »Ich bin nicht in der Stimmung für solche Spielchen, Tsukiko.«
    »Wenn du deine Fragen sorgfältiger wählst, bekommst du vielleicht befriedigendere Antworten.«
    »Warum hast du mir nie erzählt, dass du von der Herausforderung weißt?«, fragt Celia. »Dass du selbst schon mitgespielt hast?«
    »Ich hatte vereinbart, dass ich mich nur zu erkennen gebe, wenn man mich direkt anspricht«, sagt Tsukiko. »Ich halte mein Wort.«
    »Warum bist du überhaupt hierhergekommen?«
    »Ich war neugierig. So eine Herausforderung hat es seit meiner nicht mehr gegeben. Ich hatte nicht vor zu bleiben.«
    »Und warum bist du geblieben?«
    »Ich mochte Monsieur Lefèvre. Der Austragungsort bei meiner Herausforderung war etwas intimer, und dieser hier schien mir einzigartig. Man stößt selten auf Orte, die wirklich einzigartig sind. Ich bin geblieben, um alles zu verfolgen.«
    »Du hast uns beobachtet«, sagt Celia.
    Tsukiko nickt.
    »Erzähl mir mehr über das Spiel«, sagt Celia, in der Hoffnung, auch auf eine ungezielte Frage Antwort zu erhalten, da Tsukiko nun entgegenkommender wirkt.
    »Es steckt mehr dahinter, als du dir vorstellen kannst«, sagt Tsukiko. »Ich habe die Regeln damals auch nicht verstanden. Es geht nicht nur um Magie. Glaubst du etwa, ein neues Zelt zum Zirkus hinzuzufügen wäre ein Schachzug? Es ist mehr als das. Alles, was du tust, jeder Augenblick bei Tag und bei Nacht, ist ein Schachzug. Du trägst dein Schachbrett immer bei dir, auch außerhalb von gestreiften Zeltplanen. Allerdings ist dir und deinem Gegner nicht der Luxus vergönnt, hübsch artig auf Feldern zu bleiben.«
    Celia nippt an ihrem Tee und denkt darüber nach. Sie versucht sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass alles, was mit dem Zirkus und mit Marco passiert ist, ein Teil des Spiels war.
    »Liebst du ihn?«, fragt Tsukiko und mustert sie nachdenklich und mit einem Anflug von Lächeln, das mitfühlend sein könnte, allerdings fand Celia Tsukikos Gesichtsausdruck schon immer schwer zu deuten.
    Celia seufzt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, ihre Liebe abzustreiten. »Ja.«
    »Und glaubst du, dass er dich liebt?«
    Celia antwortet nicht. Die Formulierung der Frage ärgert sie. Noch vor wenigen Stunden war sie sich ganz sicher. Jetzt, da sie in dieser Höhle aus zart parfümierter Seide sitzt, erscheint ihr alles, was vorher beständig und unbestreitbar war, so flüchtig wie der Dampf über ihrem Tee. Zerbrechlich wie eine Illusion.
    »Liebe ist launisch und vergänglich«, fährt Tsukiko fort. »Man sollte lieber keine Entscheidungen auf sie gründen, in keinem Spiel.«
    Celia schließt die Augen, damit ihre Hände nicht zittern. Sie braucht länger, als ihr lieb ist, um ihre Fassung wiederzugewinnen.
    »Isobel dachte auch einmal, dass er sie liebt«, fährt Tsukiko fort. »Sie war sich ganz sicher. Deshalb ist sie hierhergekommen, sie wollte helfen.«
    »Aber er liebt mich«, sagt Celia, weniger fest, als es sich in ihren Gedanken angehört hat.
    »Vielleicht«, erwidert Tsukiko. »Er kann ziemlich geschickt manipulieren. Hast du nicht auch schon

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