Der Name Der Dunkelheit
Abteil. Dort ließ er sich neben Theresa Julander in den Sitz fallen.
»Kluges Mädchen«, rief er gegen das Rattern des Zuges an. Auf Kjells Linie setzten sie noch die alten Wagen ein. Dahinter stand der Plan von Stockholms Lokaltrafik, ihn über die Jahre zu zermürben.
Auf Theresa war immer Verlass. Er hatte erst spät bemerkt, welch klarer Geist sich hinter ihren vollen Wangenknochen und unter der Lockenpracht verbarg.
»Ich bin komplett aus dem Rennen«, sagte sie. »Tholander schart jeden um sich. Alles läuft über die Spionageabteilung.«
»Hat Kullgren keine anderen Vertrauten?«
»Vergiss ihn. Tholander hat ein eigenes Drehbuch. Als hätte der nur auf seinen Einsatz gewartet.«
»Wieso war der überhaupt in der Gegengruppe?«
»Mir ist etwas eingefallen. Kullgren hat ihn wegen seiner Erfahrung dazugenommen. Das ist bei einer so dringlichen Sache ziemlich wichtig. Vor allem aber trieb er sich als Einziger während der Feiertage im Büro herum. Das schien irgendwie ganz natürlich, es passte zu ihm. Feiertage sind für ihn sinnloses Warten wie an einer roten Ampel. Wir haben uns nichts dabei gedacht, als er sich auf Sofi fokussierte. Sie war die einzige unklare Figur bei der Reichsmord. Nur sie warf Fragen auf.«
»Ist Kullgren ihm dabei gefolgt?«
»Er hat es durchaus ernst genommen, jedoch nicht zugelassen, dass Tholander sich auf sie stürzt. So richtig hat er nicht an Sofis heimliche Zweitrolle geglaubt.«
Der Zug fuhr in die nächste Station ein. Kjell zog ein Blatt Papier hervor. Es hatte in seiner Jackentasche ziemlich gelitten. »Das hier schon mal gesehen?«
Theresa nahm das Deckblatt des wissenschaftlichen Artikels.
»Sind über hundert Seiten. Alles Physik.«
»Hast du es Ida gezeigt?«, fragte sie.
»Sie nimmt es sich gerade vor, kann aber auf den ersten Blick nichts dazu sagen. Es hat nicht viel mit den Dingen zu tun, mit denen sie sich sonst beschäftigt, wenn man davon absieht, dass es ein Haufen Zahlen ist. Leider ist es das einzig Interessante auf Elins Computer. Und es muss sehr interessant sein. Tholander hat alles beschlagnahmen lassen.«
Theresa seufzte. Nicht einmal davon hatte sie etwas mitbekommen. Sie wedelte mit dem Blatt herum. »Sei dir da nicht zu sicher! Er weiß nicht viel, das meiste reimt er sich zusammen. Er besitzt eine reiche Einbildungsgabe, auch wenn er nicht so aussieht. Vielleicht macht er nur Theater, um Kullgren zu ersetzen.«
Daran glaubte Kjell überhaupt nicht. Er kannte Tholander zwar nicht, aber niemand, der ihn kannte, traute ihm Theater zu. Er steckte das Papier in die Tasche. »Gleich kommt meine Station. Ich melde mich, wenn ich etwas von Ida weiß.«
Theresa nickte.
Kjell steckte ihr einen Fünfhunderter in die Brusttasche. »Steig in Liljeholmen aus und nimm dir ein Taxi zurück in die Innenstadt.«
79
Henning hatte sich den Kopf zerbrochen, ob er hinunterstürmen sollte, um Lena Axelsson an der Rezeption abzuholen. Das schien ihm eine Nuance zu eifrig. Sie sich bis zum Schreibtisch bringen zu lassen, kam allerdings auch nicht in Frage. Ein guter Kompromiss war, im Flur zu stehen, wenn sich für Lena die Aufzugtür im Sechsten öffnete. Außerdem psychologisch geschickt.
Beeindruckt war Lena anscheinend nicht. »Ich habe noch versucht, einen Mitschnitt der Sendung aufzutreiben«, sagte
sie beim Aussteigen. »Aber am Sonntagnachmittag erreicht man da keinen.«
»Das macht überhaupt nichts«, fand Henning. »Mir reicht es, wenn du es erzählst.«
Er führte sie durch den Gang bis in sein Büro. Die Wirkung der beiden Weihnachtskerzen hatte er mit seiner Schreibtischlampe etwas gemildert und zudem die Birne gegen eine schwächere ausgetauscht. Vorhin war ihm das Licht perfekt erschienen, nun kam es ihm so übertrieben vor, als hätte er ein Eisbärenfell auf dem Boden ausgebreitet.
Lena nahm auf dem Besucherstuhl Platz. Sie wollte nicht mehr als ein Glas Wasser, was Henning als schlechtes Zeichen deutete.
»Habt ihr nur während der Sendung miteinander gesprochen?«, fragte er zur Einstimmung.
»Nein, man sitzt ewig im Hinterzimmer, bevor es losgeht. Zum Kennenlernen überlegt man gemeinsam, warum man zur Sendung eingeladen ist.« Lena wurde als Chefredakteurin anscheinend oft zu Sendungen im Radio und im Fernsehen eingeladen, aber bei Jon Ardelius war die Redakteurin sehr aufgeregt gewesen. Er galt als öffentlichkeitsscheu, und niemand hatte damit gerechnet, dass er ausgerechnet eine Anfrage von P1 annehmen würde. »Wir haben
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