Der Name Der Dunkelheit
selbst mehrfach versucht, ein Interview mit ihm zu führen, zuletzt vor vier Jahren, als er den Abelpreis annahm, während er sonst alle Preise ablehnte.«
»Hast du ihn danach gefragt?«
»Er hat es in der Sendung offenbart. Die Anfrage zu dieser Sendung war die erste, bei der nicht seine Person als schrulliger Wissenschaftler das Thema sein sollte. Die Sendung heißt ›Philosophisches Zimmer‹, und das Thema der Diskussion war, ob es in unserer Zeit noch Wahrheiten gibt.«
»Das klingt nach Staatsrundfunk.«
»Haben wir uns auch gesagt. Ardelius sollte für die Wissenschaft sprechen, eine Theologin für die Religion. Ich war als Chefin von Schwedens langweiligster Zeitung eingeladen.«
»Das klingt noch mehr nach Staatsrundfunk.«
»Der erste Schock dann gleich in der ersten Sendeminute: Der Moderator fragt, warum er den Abelpreis annimmt, ein Jahr zuvor die Sonderauszeichnung der Fields-Gesellschaft jedoch nicht. Er habe auch den Abelpreis nicht gewollt, aber die sieben Millionen Kronen. Da wäre er doch blöd gewesen, wenn er die nicht genommen hätte.«
»War das nur eine Replik?«
»Da bin ich nicht sicher. Er wirkte nicht schlagfertig.«
»Das passt in das Bild, das wir von ihm haben.« Henning zog den Bogen Papier unter seinem Notizblock hervor. Darauf hatte Barbro alles skizziert, was sie bisher über Ardelius’ Unternehmergeist herausgefunden hatten. »Wir können leider seine Steuererklärung nicht einsehen, weil er im Ausland lebte, aber was er allein in Schweden verdiente, war nicht gerade wenig. Vom staatlichen Wetteramt hat er 35 Millionen für ein Computerprogramm bekommen, das die Strömung des Mälaren ausrechnet. Zehn Millionen stammen aus einem Verkehrsleitprojekt. Außerdem zwei Millionen Euro, also zwanzig Millionen Kronen, bei einem Projekt der Europäischen Union. Da geht es um Klimaerwärmung und ihre Folgen für die Landwirtschaft.«
Lena verschlug es die Sprache. »Klingt ziemlich geschäftstüchtig.«
»Finde ich auch. Seine letzte wissenschaftliche Veröffentlichung liegt elf Jahre zurück.«
»Man nimmt an, dass viele seiner Arbeiten aus seinen jungen Jahren stammen.«
»Woher weiß man das?«
»Er bewegt sich außerhalb des Stroms. Seine Themen waren
vor zwanzig, dreißig Jahren aktuell. An aktuellen Trends nimmt er überhaupt nicht teil. Er muss sich damals einen Vorrat an Erkenntnissen angelegt haben, die er über seine Lebenszeit verteilt.«
Henning ließ seinen Sessel in die Mittagspausenposition zurückkippen und sah Lena an. »Ich würde es etwas anders formulieren. Ich glaube, er veröffentlicht nur das, was sich vorher nicht zu Geld machen ließ. Wie findest du das?«
Hennings Gedanke reichte noch viel weiter. Er war sich sicher, dass Ardelius gar keine Fülle von Entdeckungen zur Verfügung stand. Er forschte nicht am laufenden Band. Er hatte irgendeinen Trick, den er seit Jahren immer wieder aufwärmte und ständig neu zu Geld machte.
Lena konnte Henning bei seiner Vermutung nicht helfen. Deshalb bat er sie, weiter von der Sendung zu erzählen. Für den Moderator war es ziemlich schwierig gewesen, nahtlos von den sieben Millionen zum Thema der Sendung überzuleiten, der Frage nämlich, ob es heute noch Wahrheiten gebe.
80
Als sich die Aufzugtür öffnete, nahmen zwei Soldaten Tholander in Empfang. Ohne ein Wort folgte er ihnen bis zu der einzigen Tür in der Halle. Er musste alles ablegen, was elektrisch war. Sogar seine Brillengläser wurden durchleuchtet.
Tholander hatte den Generalmajor nie in einer Uniform gesehen. Er trug graue Geschäftsanzüge, wobei sich das Grau aus der Nähe als feines Muster aus schwarzen und weißen Linien entpuppte. Wie immer im Leben. Wozu sich so hübsch machen, wenn man am Ende aller Korridore sitzt, wunderte sich Tholander. Das galt auch seiner Sekretärin, die bei jedem seiner Besuche am Konferenztisch saß.
»Du bist jetzt der Chef des ganzen Ladens. Glückwunsch!« Der Generalmajor war aufgestanden, um Tholander mit einer einladenden Geste an den Tisch zu führen.
»Danke«, sagte Tholander gequält. Eigentlich hätte er lieber nur genickt. Er nahm Platz.
»Um welche Art von Problem handelt es sich?«
Aus irgendeinem Grund stand immer eine Vase mit Nelken auf dem Tisch.
»Um ein logisches. Kennt ihr den Bericht über den Vorfall heute Nacht?«
Der Generalmajor deutete ein Nicken an.
»Sofi Johansson war bei dem Einsatz dabei. Auf Seiten der Polizei.«
Der Generalmajor schob den Schreibblock ein Stück von
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