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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Elend nicht alleine da, denn zum Abschluss zitierte der Artikel eine Reihe von Direktoren technischer und medizinischer Institute, die sich darüber ereiferten, wie viele der Begabtesten nicht Arzt oder Astronaut werden konnten, weil sie die Bedeutung der Nonchalance verkannten.
    Mit offensichtlichen Selbstmorden hatte Kjell keine Erfahrung. Zur Sicherheit überflog er noch einmal das Merkblatt: Wie bei jedem anderen Gewaltverbrechen genügte ein technischer Beweis oder ein knappes Geständnis nicht, um die Voruntersuchung abzuschließen. Der Bericht musste verständlich machen, warum Elin ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte.
    Bislang waren allerdings nicht einmal die Berichte von Per und Suunaat eingetroffen, dafür aber ein durchsichtiger Beutel mit Elins Halskette. Sie sei aus echtem Silber, hatte Per auf dem Aufkleber notiert. Die entscheidende Frage beantwortete er nicht: Wie lange hatte Elin die Kette getragen? Kjell spannte sie vor seinen Augen. Ein Davidsstern, dachte er zuerst, aber als der Anhänger zu zittern aufgehört hatte, erkannte Kjell nicht zwei Dreiecke, sondern drei. Deckungsgleiche Dreiecke, wie man es bei der Hochschulaufnahmeprüfung wohl nannte, und ineinander verschlungen.
    Obwohl seine Knie von der Kälte draußen noch ganz steif waren, sprang er auf und musterte sein Büro. Irgendwo hatte er dieses Ornament schon einmal gesehen, und zwar häufig und in seiner nächsten Umgebung. Er studierte die Aktendeckel im Regal. Nein, mit den Fällen hatte es nicht zu tun. Dann wäre es ihm eingefallen. Er öffnete den Schrank, und tatsächlich: Auf der Verpackung des Kopierpapiers war dasselbe Zeichen abgebildet.
Es war das Signet des Papierherstellers Svenska Cellulosa. Kjell nahm eine Packung heraus und überlegte, was das Logo bedeuten sollte. Stand jedes Dreieck für ein Blatt Papier oder einen gefällten Baum? Drei Tannen könnten es sein.
    Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Mit dem Stapel in der Hand lief er hinaus in den Flur, um an der Tür nachzusehen. Sie war aus Glas und konnte nach Angaben der Sicherheitsabteilung Schallwellen und Eindringlinge abhalten, nicht jedoch Kjells verwunderten Blick. Das Mädchen auf der anderen Seite lächelte. Es trug einen gelb leuchtenden Regenmantel. Seine Füße und Beine steckten bis zu den Knien in grünen Gummistiefeln. Unter der Kapuze des Mantels zeichnete sich ein hellblonder Haaransatz ab.
    Er öffnete. »Bist du etwa Hulda?«
    Sie nickte. »Ich will Snaj abholen.«
    Kjell sah auf die Uhr. »Snæfríður ist mit meinem Kollegen unterwegs. Aber lange kann es nicht mehr dauern. Seid ihr verabredet?«
    Hulda nickte.
    »Am besten kommst du herein. Du kannst einen Kaffee haben. Willst du?«
    Hulda folgte ihm in den Besprechungsraum, wo er ihr an der Theke Kaffee einschenkte. Obwohl die Gummistiefel ziemlich groß wirkten, verursachten sie keine Geräusche. Hulda war eine versierte Gummistiefelgeherin.
    »Hier wären Lussekatter. «
    »Ich nehme eins«, sagte sie und griff ohne Scheu nach dem Safrangebäck.
    Sie wechselten hinüber in Kjells Büro. Hulda nahm an Sofis Schreibtisch Platz und schob sich die Kapuze vom Kopf. Ihr Haar war so hell wie das seiner Freundin Ida.
    »Hast du gewusst, dass Lussekatter gar nicht nach der Heiligen Lucia benannt sind, sondern nach Lucifer?«

    Kjell blies über seinen Kaffee. »Das habe ich. Und woher weißt du es?«
    Offenbar mochte Hulda gelbe Dinge, Regenmäntel und auch Safrangebäck. Sie biss ab und kaute eine Weile. »Ich bin der Sache auf den Grund gegangen«, antwortete sie nachdenklich.
    »Aha«, antwortete Kjell, um einen vertraulichen Ton anzuschlagen. »Und was liest du da?«
    Hulda sah an ihrem Mantel hinab. Aus der Tasche ragte ein Buch. Hulda zog es heraus und reichte es Kjell. »Fredrik hat es mir gegeben, für mein Schwedisch.«
    Snæfríður zufolge hatte Hulda vor vier Wochen kein Wort Schwedisch verstanden. Inzwischen schien sie sich bestens darin auszukennen. Ihre etwas sonderbare Ausdrucksweise lag auf jeden Fall in ihrem Wesen und nicht in der neuen Sprache begründet.
    Kjell klappte das Buch auf. Es war August Strindbergs Roman ›Das rote Zimmer‹.
    »Da geht es um einen jungen Kerl, der durch Stockholm irrt.«
    »Gefällt es dir?«
    Hulda schüttelte den Kopf.
    »Ist auch ziemlich alt. Vielleicht nicht das Richtige für dich.«
    »Es ist pathetisch, das ist bei schlechten Autoren meistens so.«
    Kjell stellte augenblicklich seine Kaffeetasse ab, solange er seine motorischen Funktionen

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