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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Snæfríður hörte die Schritte der beiden Männer auf der Eisenleiter. Måns riss die Tür auf.
    »Wir sind über der Stelle. Peter lässt eine Sonarkapsel hinab. Sie kann flache, auf dem Grund liegende Gegenstände identifizieren.«
    »Glaubt ihr, dass das etwas bringt? Einen Rollstuhl hätten wir doch sehen müssen. Es gab viel kleinere Objekte.«

    Zum Beispiel einen Campinghocker. Den hatte jemand von der Brücke geworfen.
    »Es gibt keinen Rollstuhl«, murmelte Peter. »Den hätten wir finden müssen.«
    »Wonach suchen wir dann?«
    »Irgendetwas muss die Sensoreinheit beschädigt haben. Ein Rollstuhl war es offenbar nicht.«
    Die Sonarkapsel war klein. Peter ließ sie an einem Seil in die Tiefe.
    Snæfríður dachte an die Boje im Labor. »Es kann nur etwas Spitzes wie eine Eisenstange sein. Etwas anderes passt nicht durch die Öffnung.«
    Peter und Måns schüttelten den Kopf.
    »Theoretisch ja«, sagte Måns. »Aber die Stange müsste ja im Wasser mit der Strömung getrieben haben.«
    »Welche Möglichkeit kommt noch in Frage?«
    »Eine einzige. Hier muss am vierundzwanzigsten um 15 Uhr 01 ein Boot geankert haben. Direkt vor eurer Leiche.«

25
    Das Leben nahm jetzt die Form einer Jagd an, und das gefiel ihr. Rastlosigkeit stabilisierte ihr Leben. Sofi prüfte alle Einstellungen, bevor sie ins dunkle Treppenhaus trat. Sie starrte hinauf zur Decke, bis das Telefon in ihrer Hand vibrierte. Sie öffnete die Internetseite und konnte sich selbst darauf beim Stehen im Treppenhaus beobachten. Ziemlich grün, aber dennoch scharf, wenn man bedachte, wie finster es um sie herum war.
    Alles klar, sagte sie zu sich selbst und verschwand wieder in ihrer Wohnung. Am Küchentisch begutachtete sie noch einmal den zweiten Brief, der am Nachmittag in ihrem Flur gelegen
hatte. Zwei Tage waren seit dem ersten vergangen, also durfte sie nicht damit rechnen, dass die Kamera heute Nacht etwas Interessantes aufzeichnete.
    Der zweite Brief glich dem ersten. Wieder war sie das Motiv. Bei dem Zeichner handelte es sich offensichtlich nicht um einen Perversen. Die beiden Zeichnungen besaßen nichts Anzügliches. Ein heimlicher Verehrer also.
    Sie hatte heute alle Zeitungen gekauft. Dagens Nyheter dokumentierte mit seiner aufdringlichen Fixierung auf Menschen Joakim Karlströms Aufstieg zu Stockholms erfolgreichstem Gastronom. Als Barkeeper und Student der Ökonomie hatte er begonnen und dann einige Jahre in New York gelebt. Stockholm sei ihm zu klein geworden, stand dazu in Dagens Nyheter. Jetzt sei er wieder hier, weil er ohne diese Stadt doch nicht leben könne. Genau solche Sachen wollte Dagens Nyheter und ihre Leser hören. Sofi lächelte. Ihr hatte Joakim erzählt, dass er nur nach New York gegangen sei, damit Dagens Nyheter zehn Jahre später etwas darüber schreiben konnte. New York war ein uralter Trick, der in Stockholm immer funktionierte. Nach seiner Rückkehr hatte er ein altes Hotel gekauft und die heruntergekommene Hotelhalle in einem halben Jahr zu Stockholms angesagtestem Nachtlokal verwandelt. Seine Methode war, nach spätestens zwei Jahren zu verkaufen und sich ein Jahr lang nicht blicken zu lassen, bevor er mit dem nächsten großen Wurf zurückkehrte. Das Banana war sein siebtes Lokal. Es war erst einen Tag alt und schon Legende.
    Das Abendblatt erwähnte Joakim nicht einmal. Hier ging es nur um die vielen hübschen Menschen in und vor allem vor dem Lokal, die in zahlreichen Fotos abgebildet waren. Auf dem größten sah man Ernst. Neben seinen Kopf hatte der Grafiker eine Sprechblase montiert, in der Ernst abgemildert zitiert wurde: Fahrt zur Hölle, ihr Penner!

26
    Über Hulda Júpítersdóttir ist dies zu berichten: Wäre sie eine Figur in Strindbergs Kopf gewesen, dann hätte die Glocke der alten Sofiakirche jetzt zehn geschlagen und dabei Scharen von Vögeln auffliegen und die Krokusse blühen lassen. Außerdem wäre sie gerade auf dem Weg zu einem Grog-Abend im Kreise mittelloser Künstler im Lokal Berns.
    In der Wirklichkeit blieb die Sofiakirche jedoch stumm, obwohl anscheinend gerade eine Messe zu Ende ging. Die Tür öffnete sich, und eine Schar von Menschen trat ins Freie und steuerte auf die Autos zu.
    Hulda stand dreißig Schritte entfernt und beobachtete das Treiben. Kirchen waren ihr fremd. Für ihren Opa war Gott immer nur eine Spielfigur gewesen, die in seinen gewagten Weltgeistgleichungen bei unterschiedlichen Gelegenheiten und in verschiedenen Kostümen auftauchte und nach Belieben verschoben

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