Der Name Der Dunkelheit
eine Männerstimme.«
»Hast du es auf ihrem Mobiltelefon versucht?«
»Da läuft nur das Band. Ich wollte eigentlich gleich nach Wien fliegen. Jetzt muss ich es verschieben. Aber heute Abend oder morgen fliege ich. Alles andere ist mir egal.«
Sofi stand der Mund offen. Trotz der Kälte.
»Und bei dir?«
»Bei mir?«
»Ist irgendetwas Eigenartiges vorgefallen? Hast du jemand vor deinem Haus gesehen oder so etwas?«
»Nein. Gar nicht.«
»Wo warst du gestern?«
»Ich lag im Bett. Ich war ja krank.«
Kjell sah sie eindringlich an. »Wir können diese Sache nicht selbst klären. Ich habe eine Gegengruppe angefordert.«
Sofi nickte. Eine Gegengruppe war Pflicht bei der Reichskrim, sobald sich ein solcher Verdacht ergab. Bei den Abteilungen gegen organisierte Kriminalität wurden ständig Gegengruppen gebildet. Sie fror jetzt so sehr, dass ihr ganzer Körper bebte. »Wie willst du zwischen den Feiertagen eine Gegengruppe zusammenbekommen?«
»Theresa Julander. Sie hat sich auf den Weg gemacht.«
»Oh nein!«
Sie kehrten zu den anderen zurück.
»Sie kennt die Gruppe und steht etwas außerhalb.«
»Aber sie kann keine Ermittlung führen.«
Die Antwort erfuhr sie vor der Kirche. Die Gegengruppe war bereits eingetroffen. Und in der Mitte stand ihr Leiter. Trotz der frühen Stunde war Nils Kullgren der bestgekleidete Polizist in ganz Schweden. Eigentlich war er gar kein Polizist. Sein schwarzes Haar glänzte unter dem Licht der Laterne.
»Kullgren hat sich freiwillig bereiterklärt, die Gegengruppe zu leiten«, flüsterte Kjell.
»Freiwillig?«
»Ja, ich habe ihn angerufen, weil Reichskrimchefin Viklund im Urlaub ist. Da hat er sich selbst angeboten.«
Kjell und Sofi erreichten die anderen und nickten zur Begrüßung.
Nils Kullgren lächelte Sofi an. Der Leiter der Gegengruppe war der Chef der Sicherheitspolizei Säpo.
28
Kjell hatte sich mit der Stirn gegen das kühle Glas seines Bürofensters gelehnt. Er beobachtete drei Männer, die unten im Park das Bruchholz auflasen und es in einen Leiterwagen warfen. Seine Sorge um Linda hinderte ihn am Denken wie ein dicker Kopfverband.
In der Spiegelung des Fensters war Nils Kullgren zu sehen. Er stand seit zehn Minuten ohne jede Regung vor Kjells Wandkarte und starrte auf Södermalm, eine riesige, flache und von Wasser umgebene Raute. Zwei Nadeln markierten die Stellen. Die rote saß an der Westspitze, wo die Inseln Reimersholme und Långholmen wie versehentliche Kleckse an der Kontur von Södermalm klebten. An der Ostspitze, ganz am anderen Ende also, steckte eine blaue Nadel. Die Entfernung betrug 4,3 Kilometer.
»Der Täter tötet für die Inszenierung. Sonst hätte er seine Opfer vergraben oder irgendwo abgelegt.«
Kjell wandte sich um. Seine Stirn kitzelte von der Kälte. Kullgren hatte sich noch nicht gerührt. Seine Hände steckten in den Taschen seines Jacketts. Er war ein scharfer Geist, der in einem sanften Gemüt und einem schwarzen Anzug steckte. Nils Kullgren sah an jedem Tag gleich aus und wirkte in jeder Umgebung wie ein Schauspieler, der ohne jede Regieanweisung in einer Szene stand und einfach seine Standardrolle spielte. Kjell überlegte seit Jahren, ob Kullgren homosexuell war, aber dagegen sprach sein Umgang mit Sofi. Die beiden trafen nicht oft aufeinander, und dann aus Zufall. Dabei war Kjell aufgefallen, dass sich das Verhalten der beiden in diesen Momenten änderte. Sofi war frech zu ihm. Frechheit fand sich sonst nur in ihren Taten, in ihrem Umgang mit anderen aber nie. Kjell hätte tausend Kronen gegen Henning
darauf gewettet, dass Nils Kullgren, der Chef der Säpo, Sofi Johansson seit Jahren im Rahmen seiner seelischen Möglichkeiten anhimmelte.
Vielleicht passte ihr Teint einfach gut zu seinen Anzügen.
»Also richtet sich der Täter mit seinen Inszenierungen an die Polizei«, fügte Kullgren nach einer Weile noch hinzu und legte die Finger ans Kinn. »Aber ob es sich speziell an die Reichsmord richtet?«
»Nun ja«, sagte Kjell. »Immerhin liegen die Stellen direkt neben unseren Wohnungen. Die Abstände stimmen beinahe auf den Meter genau überein.«
»Die beiden Punkte sind allerdings auch markante Stellen in ihrer Umgebung.«
Kjell putzte sich die Nase. Der kalte Morgen hatte ihm eine Erkältung beschert.
»Und beide Male war es erst Per Arrelöv, der euch hineingezogen hat«, fügte Kullgren als weiteren Einwand hinzu.
Darüber hatte Kjell den ganzen Morgen nachgedacht. »Es hätte natürlich sein können, dass Per
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