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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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hat eine ältere Schwester, die ebenfalls geigt. Da blieb ihr nur die Bratsche.«
    Judit Juholt war bis zum Vorspielen an der Hochschule nie in Schweden gewesen. Wahrscheinlich hatte sie hier studieren wollen, um das Land ihres Vaters und seiner Vorfahren kennenzulernen und sich dem Elternhaus zu entziehen. Neben der amerikanischen Staatsbürgerschaft besaß sie auch die schwedische, doch Schwedisch hatte sie bei ihrer Ankunft nur leidlich beherrscht, inzwischen allerdings fließend.
    »Wie kommst du auf Bratsche?«, fragte Henning. »Nach unserer Erkenntnis war sie Schlagzeugerin.«
    Die Technikerin Jenna deutete mit vollem Mund zur Tür. »Im Schrank unter dem Bett liegt ein großer Geigenkasten. Aber da sind wir noch nicht.«
    »Wie kommt ihr denn auf Schlagzeug?«, fragte Barbro.
    Henning rappelte sich vom Boden auf und klopfte den Staub von seiner Hose. »Das behauptet das Mädchen, das die Vermisstenanzeige aufgegeben hat.«

30
    Astrid Bloms Erzählstrom brach ab, als sie die Metalltür aufwuchtete und ihnen kühle, staubige Kellerluft entgegenschlug. Sie tastete nach einem Lichtschalter.
    Sofi konnte nicht erkennen, welche Ausmaße der Keller hatte. Immer neue Reihen von Lichtröhren flackerten auf.
    »Die Jungs spielen hier nachts gerne Fußballturniere«, kommentierte sie die endlos scheinende Weite. »Hier war früher
das Aktenarchiv der Finanzdirektion. Bisher haben sie es nicht geschafft, den Keller zu vermieten, deshalb dürfen wir hier unten einige Abteile benutzen.«
    »Ist das nicht bedrückend?«, fragte Sofi und trat zögernd ein. »So ein Gewölbe unter einem riesigen Turm?«
    Astrid legte den Kopf in den Nacken. »Na ja, er steht seit einem halben Jahrhundert. Wird wohl nicht einstürzen, während ich gerade hier unten bin. Die Abteile sind dort hinten.«
    Sie liefen los.
    »Darf hier jeder rein?«
    »Auf keinen Fall! Nur vier Bewohner haben einen Schlüssel. Die anderen haben keine Abteile und dürfen nicht rein. Deswegen sind wir sehr beliebt.«
    Am anderen Ende wartete eine Reihe aus Metalltüren wie in einem surrealistischen Theaterstück, wo sich der Held für das richtige Schicksal entscheiden muss und dann das Verderben oder die Kammer mit den Krokodilen erwischt.
    »Da haben die Geschäfte im Parterre ihre Lager, und dort Björn Borg. Der hat ganz oben sein Büro.«
    »Archiviert er da all seine Stirnbänder?«, fragte Sofi, und Astrid grinste.
    »Das da ist mein Werkraum, und gleich daneben liegt Judits Kammer. Ich muss den Schlüssel dafür aus meiner Kammer holen.« Astrid schloss ihre Tür auf. Sie studierte Möbeldesign und hatte in ihrem Abteil eine Werkbank und Sägen stehen. Ihre Wohnung lag im neunten Stock und wies nach Norden. Bei sechshundert Studenten im Haus wäre sie Judit wohl nie über den Weg gelaufen, wenn die beiden hier unten nicht einsame Nachbarinnen gewesen wären.
    Auf der Werkbank stand ein unvollendeter Stuhl, der nur aus kompliziert gewölbten Flächen bestand. Sofi seufzte. Ein Werkraum mit Schraubstöcken war genau das, was ihrem Leben fehlte.

    Astrid zog eine lange Metallschublade auf und kramte zwischen Zangen und Schraubenziehern nach dem Schlüssel. »Wie gesagt, wir kannten uns noch nicht lange. Ich bin schon seit meinem Einzug hier unten, Judit hat ihr Abteil seit fünf Monaten. Sie spielt meist am Abend oder in der Nacht, deshalb sind wir uns nur begegnet, wenn ich mal sehr lange hier unten war.«
    Judits Raum war nicht halb so groß wie der von Astrid und enthielt nur ein riesiges Schlagzeug, das grün im Halbdunkeln funkelte. Neben dem Schemel stand ein Tischchen mit einer Stereoanlage darauf. An den Wänden klebten Schaumstoffmatten, die den Schall schlucken sollten. Sofi wunderte sich über die Dämmung, wo doch die Kammer so tief unter den ersten Wohnungen lag.
    Astrid eilte zum Schlagzeug, setzte sich und griff nach den Stöcken. Sie spielte einen einfachen Rhythmus, der Sofi verdeutlichte, wie laut ein Schlagzeug tatsächlich war. Nach wenigen Takten geriet Astrid aus dem Takt, schlug aufs Becken und legte die Stöcke beiseite. »In der letzten Woche habe ich zum ersten Mal gespielt. Judit hat es mir gezeigt. Sie spielte selbst noch nicht so lange, sagte sie. Aber dafür unglaublich gut.«
    »Warum wollte sie mit dir in den Urlaub fahren? Ihr kanntet euch doch kaum.«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Sie war ganz schön beliebt, glaube ich. Immerhin hat sie oft Leute mit hierhergebracht. Vielleicht wollte sie mal mit jemandem zusammen sein,

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