Der Name Der Dunkelheit
wenig aus der Form geraten. Er kam mit leeren Händen. Dazu schüttelte er den Kopf.
»Es gibt eine CD mit Jean Ferrats größten Hits. Die kann ich bestellen. Dauert drei Wochen.«
»Für eine Platte aus Frankreich drei Wochen? Bis dahin ist das 21. Jahrhundert vorbei.«
»Warum nimmst du nicht eine von Elie Simoun? Die sind ganz frisch reingekommen.«
Sofi dachte gar nicht daran, diesen Vorschlag mit einer Antwort zu würdigen, und lud den Verkäufer durch Anstarren zu einem besseren Vorschlag ein.
»Schau mal bei den Kaufhäusern in der Innenstadt. Dort könntest du Glück haben.«
»Die haben mich hergeschickt.«
Der Verkäufer blätterte wieder in seinem Katalog. »Wie sicher bist du, dass Jean Ferrat Chansons singt?«
Sofi hob den Daumen.
»Aber die Musik ist ein wenig kitschig, oder? Mit Streichern.«
»Das ist ja der Witz.«
»Ich muss es bestellen.« Er nahm seine Brille ab und begann sie zu putzen. Das war wohl als abschließende Geste gemeint.
Sofi willigte ein. Drei Wochen, das war immer noch besser als niemals, auch wenn es sich genauso anfühlte.
Sie eilte die Odengatan hinauf. Bis zu Majas Bar waren es zweihundert Schritte. Am Samstagnachmittag herrschte dort Leere. Die Arbeit in der Küche hatte begonnen und verbreitete den Duft von libanesischem Essen im ganzen Lokal.
Linda saß an der Bar und war mit Maja ins Gespräch vertieft. Auf ihrem Schoß hatte sie ihre kleine Schwester Lilly. Die versuchte, an einem großen Glas zu nippen. Auch Ida war gekommen. Maja hatte ihr erzählt, dass Ida neuerdings immer hier war, wenn sie von der Universität kam.
»Ist Kjell im Büro?«, fragte Ida nach der Begrüßung.
»Wir haben Pause bis zum Abend.«
Linda hatte sich deutlich verändert. Sie kam Sofi nicht nur körperlich größer vor. Das Ausland hatte eine Erwachsene aus ihr gemacht, wahrscheinlich, weil zum ersten Mal in ihrem Leben
die Umgebung selbst das Erlebnis war und nicht irgendein Plan, den Linda in ihrem Kopf ausheckte.
Sofi erwartete, dass Linda von fremden Ländern erzählte, doch die drei Frauen interessierten sich nur für eine Sache: Sofis Briefe.
»Hast du sie dabei?«, fragte Linda.
Sofi nickte. Die Briefe trug sie ständig bei sich, und sie waren auch gestern noch der Grund gewesen, warum sie Linda ein Treffen vorgeschlagen hatte. Nun kam ihr die Sache jedoch überhaupt nicht mehr drängend vor.
Linda faltete die beiden Zettel auf und betrachtete sie. »Du willst also von mir wissen, wer das gemalt haben könnte. Wie ein Grafologe, aber mit Bildern.«
»Genau das will sie von dir«, bestätigte Maja, bevor Sofi es konnte.
»Hm, das hat auf jeden Fall ein Mann gemalt. Und er ist älter.« Das Schweigen der anderen deutete Linda erst nach einer Weile als Wunsch nach einer Begründung. »Es ähnelt Zeichnungen aus den Fünfzigern. Habt ihr mal die Illustrationen in einem alten Schulbuch gesehen? Damals hatte man einen gewissen Stil mit einfachen Schwüngen. Heute macht das keiner mehr. Es wirkt altmodisch.«
Das war auch Sofi aufgefallen. Die Zeichnungen wirkten ein wenig altertümlich, zeigten aber ohne Zweifel Sofi Johansson in der Gegenwart. Sie mussten frisch sein.
Das fanden auch die anderen.
Linda zuckte mit den Schultern. »Sie stammen von einem, der vor langer Zeit gelernt hat zu zeichnen.« Mehr hatte sie nicht zu sagen.
»Was meinen denn die anderen dazu?«, wollte Ida wissen.
»Ich hab’s ihnen gar nicht erzählt.«
Idas Augen weiteten sich. »Nach allem, was passiert ist, hast du nichts davon erzählt?«
»Nein, hab ich nicht.«
Maja verschränkte die Arme vor der Brust. Solche Dramen wünschte sie sich als Wirtin.
»Ich hab aufgepasst«, erklärte Sofi.
»Schläfst du etwa mit deinem Revolver unter dem Kopfkissen?«, fragte Maja.
»Pistole«, korrigierte Sofi.
Maja kam zurück zum Thema. »Und dieser Jemand ist ein Mann?«
»Da habe ich überhaupt keine Zweifel«, behauptete Linda und hielt sich die erste Zeichnung dicht vor die Augen. »Obwohl sie nicht anzüglich sind. Nicht sexuell, meine ich.«
Sofi seufzte.
»Du hast doch jemand«, sagte Maja. »Kannst du Jokke nicht mal deine Adresse geben? Er ruft dauernd an oder taucht hier auf.«
»Wie oft genau?«
Maja zählte Male und Zeiten auf. Als Sofi fragte, wieso sie sich sogar die Minuten gemerkt hatte, erwiderte Maja, damit gerechnet zu haben, von Sofi verhört zu werden. Sofi wiederum kannte Maja mittlerweile in- und auswendig. Es bestand kein Zweifel, dass sie in dieser Sache für
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