Der Name Der Dunkelheit
Freundin Nellie. Hat sich Filipa irgendwie geäußert?«
»Was sollte sie denn geäußert haben?«
»Nellie behauptet, er habe sie bedroht.«
Die Eltern sahen einander an und schüttelten den Kopf.
Die Mutter fuhr fort. »Wir wissen nicht, wie lange das ging. Herausgefunden haben wir es nur, weil Filipa sich in der Schule verschlechterte. Der Lehrer rief uns an.« Filipa war von jeher eine wechselhafte Schülerin gewesen, in einigen Fächern gut, in anderen schlecht. Sie besuchte die neunte Klasse, die letzte Klasse der Grundschule. In Mathematik drohte ihr ein Nichtbestanden. »Wir waren uns einig, dass sofort etwas geschehen musste«, erklärte die Mutter. »Weil das Zeugnis am Ende des Jahres darüber entscheidet, ob sie das Gymnasium besuchen darf.«
Die Befürchtungen bestätigten sich nicht. Nach dreiwöchiger Nachhilfe erholten sich ihre Noten. Als der Lehrer erneut anrief und Entwarnung gab, schoben die Eltern das Zwischentief ihrer Tochter auf Hampus, denn Filipa war beileibe kein dummes Kind. Ein wenig mehr Disziplin hatte sie wieder auf den rechten Weg gebracht.
Viktor Lindenbaum verstummte, als hinter ihm die Treppe knarzte. Die Beine einer Frau erschienen. Sie kam nur zögernd herab und hielt dabei ein Mädchen bei der Hand, das jünger als Filipa war und auch noch nicht in der Pubertät.
»Entschuldigt die Störung«, sagte die Frau, die wegen ihres dunklen Haars leicht als Mutter des Mädchens zu erkennen war. »Sisela muss euch etwas sagen.«
Sisela überwand sich zunächst nicht. »Fippan hat mir befohlen, nichts zu verraten.«
»Gut, setz dich hier hin«, bat Snæfríður. »Was durftest du nicht verraten?«
»An dem Morgen, da wart ihr alle weg. Fippan sagte zu mir: ›Ich muss weg. Du darfst nichts verraten.‹«
»Wohin weg? Hat sie das gesagt?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Sie muss dringend etwas erledigen - das hat sie gesagt.«
Alle Erwachsenen im Raum fragten sich, was eine Vierzehnjährige dringend zu erledigen hatte.
»Wieso hat sie dir überhaupt davon erzählt?«
»Sie musste. Ich habe gehört, wie sie telefonierte.« Sisela deutete auf das Telefon neben dem Kamin.
»Was sagte sie beim Telefonieren?«
»Sie erkundigte sich nach dem Zug.«
Snæfríður riss den Kopf zu Gudjon, der abseits an der Wand lehnte.
»Es gibt Direktzüge nach Stockholm«, sagte er.
Viktor Lindenbaum hämmerte sich mit der Faust gegen die Stirn. »Scheiße, verdammte!«
»Das ist immer so«, erklärte Snæfríður den Eltern. »Nichts ist selbstverständlich.« Sie warf Gudjon einen warnenden Blick zu. Die Eltern würden sich das nie verzeihen.
Filipa hatte dem Mädchen noch mehr anvertraut. Sie würde erst am nächsten Vormittag zurückkehren, vielleicht sogar später, wenn es schlecht lief. Deshalb hatte das Mädchen so lange gewartet. Erst jetzt rechnete es nicht mehr damit, dass Filipa noch kommen würde.
»Wann habt ihr sie zum ersten Mal vermisst?«, fragte Snæfríður die Eltern.
»Schon am frühen Abend.«
»Traut ihr Filipa zu, sie könnte vorausgesehen haben, dass ihr ihre Abwesenheit noch vor ihrer Rückkehr entdecken würdet?«
»Natürlich. Sie ist ein vierzehnjähriges Mädchen, das nicht länger als einige Stunden ohne die Aufsicht ihrer Eltern verbringen kann. Sie musste fest damit rechnen, dass wir am Abend nach ihr sehen. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.«
58
Kjell vergaß zu klopfen, als er die Tür zum Besprechungsraum öffnete. Barbro, Nellie und ihr Vater saßen eng beieinander am Tisch und sahen auf. Kjell nahm sich einen Stuhl und drängte sich damit zwischen Barbro und das Mädchen.
»Ich muss euch unterbrechen. Es sind Fragen aufgetaucht, die nur du beantworten kannst. Filipas Eltern haben uns erzählt, wie schwer sich Filipa in der Schule getan hat.«
Nellie nickte.
»Du weißt also davon.«
»Wir sitzen nebeneinander. Aber nur in Mathematik und Natur.«
»Anscheinend hat sie sich darin wieder verbessert.«
»Das stimmt.«
»Sie hat Nachhilfe genommen.«
»Ja.«
»In einem Nachhilfeinstitut mit dem Namen ›Paukpferde‹ in der Hornsgatan.«
Nellie kicherte ein wenig, fand den Namen dann aber doch nicht so originell. »Kann sein. Nachhilfe hatte sie.«
»Die Eltern sind sich sicher, dass es dort war. Und hier haben wir ein kleines Problem. Die Paukpferde bestehen darauf, nie eine Filipa Lindenbaum als Schülerin gehabt zu haben.«
»Kann sein.«
»Warst du dort?«, flüsterte Barbro.
Kjell nickte. »Nellie, kannst du dir
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