Der Name Der Dunkelheit
den kleinen Zetteln sie an Hennings Schreibtisch in die Hand genommen hatte, als ihr der Name auf dem Bildschirm ins Auge stach. Jon Ardelius. Sie erkannte ihn wieder, noch bevor sie ihn zu Ende gelesen hatte. Eine Weile saß sie verwunschen da und zupfte an ihrer Unterlippe. Das konnte nicht sein, dachte sie. Das Schicksal hat einen Knoten an der falschen Stelle gemacht.
Den Gang im sechsten Stock legte sie nachdenklich zurück, obwohl sie sich seit langer Zeit damit abgefunden hatte, dass sie die Folgen ihrer Entscheidungen immer erst wie die Endsumme aus dem Taschenrechner erfuhr. Über dem Rechenweg lag ein Schatten.
Ragnars Büro war verschlossen. Sie versuchte es nebenan und hatte bei der nächsten Tür Erfolg. Drei Männer blickten von einem Besprechungstisch auf.
»Ist Ragnar nicht da?«
»Der sitzt samstags im Dramaten «, sagte einer der Männer. »Er hat einen Stammplatz im vorderen Parkett.«
»Fräulein Julie, Fräulein Johansson!« fügte der Schlaksige am Tischende hinzu und schob seinen linken Ärmel hoch, um die Uhrzeit abzulesen. »Dürfte wohl der dritte Akt sein.«
Sofi nickte zum Dank und schloss die Tür, um sie gleich wieder aufzustoßen. »Ist Fräulein Julie nicht ein Einakter?«
Der Dicke nickte. »Aber ein sehr langer.«
Sofi kehrte in die Büros der Reichsmord zurück. Die Tür
zum Besprechungsraum stand offen. Anscheinend war das Verhör beendet. Sie fand Barbro an ihrem Schreibtisch.
»Seid ihr euch ganz sicher, dass es dieser Jon Ardelius ist?«
Barbro nickte versonnen. »Zu allen drei Opfern führt eine Verbindung. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie wir am schnellsten an ihn herankommen.«
Sofi schlug den Flughafen vor. Wenn Ardelius in Irland wohnte, aber hier in der Stadt herumgeisterte, dann musste er unterwegs Spuren hinterlassen haben.
»Dadurch erfahren wir nicht, wo wir ihn jetzt finden. Nur darauf kommt es an.«
Das Telefon klingelte, und Barbro nahm ab.
Sofi nutzte die Zeit, um sich in ihre Jacke einzupacken und einige Gegenstände zusammenzusuchen, die sie vielleicht brauchen würde.
»Ich muss weg«, sagte Barbro nach dem Auflegen. »Der Psychiater hat etwas herausgefunden. Willst du auch hinaus?«
»Wo trefft ihr euch?«
»Östermalmsgatan. Er speist dort jeden Abend im selben Lokal.«
»Kannst du mich mitnehmen und am Stureplan aussteigen lassen?«
»Hat es etwas mit dem Namen hier zu tun?« Barbro hielt den Zettel von Hennings Schreibtisch hoch.
»Woher weißt du das?«
Barbro lächelte. »Ich kenne dich eben!«
Sofi öffnete Hennings Schrank und suchte im Oberfach nach einer seiner Wollmützen, die man bis über die Ohren krempeln konnte.
Der Verkehr staute sich vom Stureplan bis weit in die Kungsgatan zurück. Hinter den Königstürmen stieg Sofi aus dem Wagen und überquerte zwischen den vielen Fußgängern
hindurch die Straße. Alle hatten Urlaub und wollten ausgehen.
Eigentlich hatte sie sich mit ihrer Winterjacke und Hennings Mütze tarnen wollen, indes stach sie damit unter den toupierten Blondinen in ihren kurzen Röcken hervor. Bereits an der Ampel schlotterten ihr die Knie, dabei trugen die meisten Frauen trotz der Kälte kurze Röcke.
Vor dem East hatte man die Anzahl der Wärmelampen verdoppelt und ein Zelt über die Terrasse gebreitet. Durch die Folie sah Sofi, wie das Zelt vor Menschen und Wärmelampen aus den Nähten zu platzen drohte.
Sie hielt sich links und steuerte am Laroy vorbei zur Sturegatan, die jenseits des Platzes begann. Die Ostseite wollte sie auf jeden Fall meiden, obwohl von dort kaum Gefahr drohte. Eine dreieckige Phalanx aus Menschen füllte den halben Platz und hoffte darauf, ins Banana eingelassen zu werden.
Gleich wurde es Mitternacht. Sie konnte davon ausgehen, dass Joakim jetzt dort war. Sie erreichte den Rand des Parks. Auch hier liefen überall Menschen. Naiv, wie sie war, hatte sie es für eine Legende gehalten, viele vom Stureplan kämen hierher, um Kokain zu nehmen oder sich zu lieben. Sie postierte sich vor dem Linné-Denkmal und bemühte sich, in ihrer Montur nicht das Augenmerk von Drogenfahndern auf sich zu ziehen. Vom Denkmal aus sah man die Wohnung. Das Haus lag gleich an der Straße, die am Park entlang verlief. Neulich hatte sie vom Fenster aus das Denkmal betrachtet, bevor ihr Telefon geklingelt hatte.
Auch vor dem Eingang des Hauses standen Menschen. Sie verfolgte die Gesichter und Bewegungen, bevor sie sich sicher war, dass die Leute ihr Auto suchten oder auf ein Taxi
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