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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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zusammenarbeiten. Vielleicht hat sich durch Missverständnisse über die wahre Aufgabe der EHs bei manchen Atmas eine Barriere aufgebaut. Diese muss
    deprogrammiert werden. Deshalb haben wir dich vom Flughafen abgeholt. Wir wollen einige Dinge mit dir besprechen, solange sie noch frisch sind, bevor du
    abgelenkt wirst durch die Freunde daheim und die Angelegenheiten der Akademie. Lirep Crapp lässt dich übrigens herzlich grüßen und hofft, dich bald zu
    sehen.“
    „Danke.“
    „Dan Putnam hat uns in einem Fax mitgeteilt, dass du auf deiner Missionsreise nicht die Erwartungen erfüllt hast, die man in einen Absolventen der
    deutschen Akademie setzt. Du warst irgendwie nicht ganz in Form, Aron. Was war los?“
    „Ich verstehe nicht…“ Aron wurde unsicher. Der EH stürzte nach dem einleitenden Geplänkel wie ein Raubvogel auf ihn herab, lächelnd, in sanftem,
    freundschaftlichen Tonfall und doch mit kalter Berechnung.
    „Bali scheint ein eigenartiger Ort zu sein,“ fuhr er fort. „Schon dein Freund Ben hat auf dieser Insel eine Verwandlung von einem linientreuen
    Akademieschüler zu einem aufsässigen Träumer durchgemacht. Asien ist ein heikles Pflaster. Daher spreche ich mit dir. Ist dir irgendetwas besonderes
    aufgefallen? Bist du jemandem begegnet, der dem Mahaguru und den Lehren der Liga feindlich gegenübersteht, der versucht, subversives Material in Umlauf zu
    bringen? Du hattest vor deiner Abreise nach Bali ein vertrauliches Gespräch mit Lirep Crapp, in dem er dich bat, diesbezüglich die Augen offen zu halten.“
    „Ich wüsste nicht…“ Wieder log Aron. Er begann zu schwitzen. Es war seine Pflicht, den EHs die Begegnung mit Walt Mason zu berichten, doch er brachte kein
    Wort über die Lippen. Es war ihm nicht möglich, über den Mann zu sprechen, mit dem er den Schmerz um Ben teilte. Das Gelbe Buch. Vielleicht enthielt es
    Antworten auf die Fragen und Zweifel, die seit Bens Tod in ihm rumorten, Hinweise, wie dieser Zwiespalt zwischen Lehre und Organisation zu lösen war.
    Vielleicht hatte sich Walt Mason genau wegen diesem Konflikt von der Liga abgesetzt. Jetzt, da die EHs ihn auszuforschen suchten, spürte er, wie wichtig es
    war, diesen Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu Ende zu denken, um nicht abzugleiten in nebelhaften Fanatismus. Es war nicht möglich, mit den EHs darüber
    zu sprechen, die jede geringe Abweichung von der buchstabengetreuen Auslegung der Liga-Vorschriften unnachgiebig verfolgten.
    „Uns liegt ein Bericht vor, dass du für eine Nacht der Mission ferngeblieben bist und in einem balinesischen Dorf übernachtet hast.“
    „Ja. Die Mission hatte Journalisten der
Wahrheit
zu Gast. Die Missionsassistenten wurden für die Betreuung eingeteilt. Ich begleitete die
    Journalisten zu einem Tempelfest im Landesinneren. Auf Bali dauern solche Feste die ganze Nacht. Ich musste mich nach den Journalisten richten. Außerdem
    wäre es unmöglich gewesen, nach Einbruch der Dunkelheit den Fußweg zum Wagen zurückzugehen.“
    „Die Exkursion war vom Missionsleiter nicht gebilligt.“
    „Die Journalisten der
Wahrheit
sind nicht von der Mission abhängig.“
    „Aber du wusstest, dass Dan Putnam diese Aktion nicht guthieß. Du bist in deiner Funktion als Missionsassistent trotzdem mitgefahren.“
    „Ich…“ Aron begann zu stottern. „Ich wollte einen echten Eindruck von Bali gewinnen… Es war die einzige Gelegenheit für mich…“
    „Eine Missionsreise ist kein Urlaub, sondern ein Fronteinsatz. Außerdem scheint dir dieser sogenannte echte Eindruck nicht gut bekommen zu sein. Du bist
    bei diesem Fest ohnmächtig geworden. Was hat dich so aus der Fassung gebracht?“
    Woher wussten die EHs das? Judith musste es berichtet haben! Wollte sie von ihrem eigenen schlechten Benehmen in der Mission ablenken, indem sie
    Akademieabsolventen anschwärzte? Wut stieg in Aron auf. Judith hatte sich in einem unbeobachteten Moment herzlich von ihm verabschiedet, hatte seine Hand
    gehalten, ihn geküsst wie einen guten Freund, ihn gebeten, zum Hauptseminar in die Staaten zu kommen, um sie wiederzusehen. Arons Gedanken schweiften ab in
    die hohlen Räume der Müdigkeit. Judiths feines weißes Gesicht stand vor seinem inneren Auge. Er hätte sein ganzes Erspartes für den Flug zum Hauptseminar
    zusammengekratzt, um Judith wiederzusehen, aber jetzt… Er verfluchte seine Naivität. Er hatte sich in Judith verliebt und sie hatte ihn eiskalt verraten.
    Der auf Antwort lauernde Blick des EH riss Aron aus

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