Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Anklagen gegen Andersen, der Brief Andersens über Gordons Ausschluss aus der Liga wurden vertuscht
und verdrängt. Irgendwann hörte ich die Version, Feinde der Liga hätten diese Dinge erfunden, um die Atmas zu verwirren. Nach der Wahrheit fragte niemand
mehr. Die Liga wendete sich der Zukunft zu, der Verbreitung der Liga-Weltkultur. „Die Vergangenheit ist tot, die Zukunft aber muss noch geboren werden aus
eurem Bewusstsein,“ schrieb Andersen in einem Wahrheitsbrief, für mich aber wurde die Last dieser Vergangenheit unerträglich.
„Schwarze Magie!“, sagte Ted lächelnd. „Das willst du doch sagen, habe ich recht?“
Wir spazierten an einem Sonntagnachmittag durch den Golden Gate Park und kamen zum wiederholten Mal auf die Umstände von Gordons Unfall zurück. Wir zogen
seit einiger Zeit vor, an öffentlichen, abhörsicheren Plätzen über Themen zu sprechen, die nur für unsere Ohren bestimmt waren.
„Ich weiß über diese Dinge nicht Bescheid. Ich habe mich nie damit befasst. Aber ich fühle, dass hier eine Kraft im Spiel ist, die unser
Vorstellungsvermögen übersteigt.“
„Und das sagt mir mein agnostischer Freund Walt, für den Esoterik und Religion nichts anderes ist als eine interessante Art und Weise, Geld zu verdienen.“
Ted spielte den Zyniker, aber ich sah ihm an, dass ihn meine Worte beschäftigten.
„Gordon war gar nicht betrunken,“ sagte er nach einer Weile. „Du weißt, dass ich mir gerne Fakten aus erster Quelle besorge. Ich habe über einen Bekannten
Einsicht in die Papiere des gerichtsmedizinischen Instituts genommen. Einfach nur so aus Interesse. Gordon hat höchstens ein Glas Wein getrunken.“
„Medikamente?“
„Nichts, was das Bewusstsein so ausknipst, dass man an einen Betonpfeiler knallt. Seine üblichen Schmerzmittel eben, keine besonders hohe Dosis. Alles
normal, wie seit Jahren. Wie du weißt, hat Gordon schnelle Schlitten geliebt, samt dem Kitzel, sie über kurvige Küstenstraßen zu jagen, nicht selten mit
einer blonden Mietze im Arm und einigen Flaschen Schampus in der Kühlbox auf dem Rücksitz. Er hat einiges vertragen und konnte sehr gut Auto fahren, auch
wenn er einen sitzen hatte.“
„Ein präpariertes Auto?“
„Nein. Panetta hat recht. Gordon fuhr einen Leihwagen. Es muss einer seiner spontanen Einfälle gewesen sein. Er nahm ein Taxi zum Avis-Büro und hat sich
einen flotten Renner gemietet. Wahrscheinlich wollte er zu einem seiner Getreuen in den Süden und hatte Angst, verfolgt zu werden, wenn er mit dem eigenen
Auto fährt. Er unterschrieb die Papiere, ließ seine Kreditkarte scannen und fuhr ab. So etwas dauert nur Augenblicke. Keine Chance, den Wagen zu
präparieren.“
„Selbstmord?“
„Nein. Nicht Gordon. Er war zwar verbittert, aber er war der festen Überzeugung, dass er im Recht ist und die Atmas auf seine Seite ziehen kann. Ich habe
mit Tom gesprochen, der in diesen Tagen oft bei Gordon war und der jetzt wieder zerknirscht bei der Liga untergekrochen ist. Gordon war voller Zuversicht.
Er wusste noch nichts von den Maßnahmen, die Panetta ergreifen wollte, um ihn fertigzumachen. Er hat in diesen Tagen selbst fest daran geglaubt, der einzig
authentische Mahaguru zu sein. Er war überzeugt, dass die Macht des Hju ihm helfen würde. ‚Das Hju wird die Wahrheit ans Tageslicht bringen und die Liga
auf einen spirituellen Kurs zurückführen,‘ sagte er immer wieder zu Tom. Außerdem bringt sich ein Mahaguru nicht um. Du weißt, was Jason über Selbstmord
geschrieben hat.“
„Was war es dann?“
„Hast du nicht das Thema Magie angeschnitten?“
„Nenne es wie du willst. Ich habe nur das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Wenn ich auf die Geschichte der Liga
zurückblicke, scheint es mir, als sei es noch nie mit rechten Dingen zugegangen. Erinnere dich an Jerry Grant. Selbstmord nach schweren Depressionen. Ein
so heiterer, lebenslustiger Kerl wie Jerry.“
Ted holte tief Luft und suchte nach den richtigen Worten. Sein Blick streifte über drei Nonnen, die uns entgegenkamen. Ein Jogger überholte uns keuchend.
Ich zuckte zusammen, als sein Schatten über uns hinflog.
„Auch schon Paranoia?“ lachte Ted. „Als ich für den
Star
gearbeitet habe, in jenen unschuldigen Jahren, musste ich mich natürlich auch mit den
dunklen, aber äußerst publikumswirksamen Aspekten der Esoterik befassen: schwarze Magie, Voodoo, Kahunas, Hexen und so weiter. Darüber lesen die Leute
gerne, das
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