Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
erhob sich und nestelte an den Scheibenwischern herum. Seine
Gelassenheit täuschte. Er war nervös. Man hatte ihm zugetragen, dass Putnam die Verantwortung für diesen unerwünschten Ausflug ihm zuschob, da er sich von
Judith hatte überreden lassen. Der Zorn des Missionsleiters konnte das Ende seiner noch jungen Karriere in der Liga bedeuten. Aron hatte Mark beim Tragen
geholfen und lehnte nun im Schatten des Gebäudes, genoss die warme, von Blütendüften gesättigte Luft des Gartens. Als Judith endlich zwischen den Bungalows
auftauchte, war ihr schon von Ferne anzusehen, dass es wieder Streit gegeben hatte. Sie stapfte über die Steinplatten des Gartenweges heran, die Lippen
aufeinandergepresst und verstaute im Gehen mit hektischen Bewegungen ihr Aufnahmegerät in einer Tasche.
„Ich glaube, es ist nicht nötig, dass sich ein Mitglied der Mission den tödlichen Gefahren und Verführungen dieses Abenteuers aussetzt,“ sagte sie
spöttisch zu Aron. „Wir kommen alleine zurecht.“
„Ich bin kein Mitglied der Mission, sondern ein Akademiestudent auf seiner Missionsreise,“ entgegnete Aron ruhig.
„Wir müssen wahrscheinlich irgendwo im Land übernachten. Dan macht sich Sorgen um seine Schäfchen und wird allen, die nicht zum Abendessen zu Hause sind,
eine negative Bemerkung in die Beurteilung schreiben,“ spottete sie weiter. „Außerdem werden wir uns auf diesem Ausflug ausschließlich mit der
verwerflichen, durch und durch schwarzmagischen Kultur dieser Dämoneninsel befassen. Dan wird dich anschließend auf einen Deprokurs schicken.“
„Ich habe Bali für meine Missionsreise gewählt, weil ich auch das Land kennenlernen wollte. Bisher ergab sich dazu noch nicht die Gelegenheit.“
„Wir machen keine Vergnügungsreise. Es wäre mir lieber, wenn wir die Tour alleine, sozusagen ohne Aufsicht der Mission, unternehmen könnten.“ Judiths
Stimme bekam einen scharfen Beiklang. „Wir müssen konzentriert arbeiten. Außerdem hat uns der Herr Missionsleiter gedroht. Uns macht das nichts aus, du
aber bist von seiner Beurteilung abhängig.“
„Ich werde nicht stören,“ sagte Aron und stieg in den Wagen. Judith folgte ihm wütend.
In einem der Straßendörfer auf dem Weg nach Osten bog I Gede plötzlich in eine Seitenstraße, manövrierte den Wagen vorsichtig an den eng zusammenstehenden
Steinmauern vorbei, welche die balinesischen Gehöfte einfassten, kurvte behutsam durch schmale, vom Monsunregen ausgewaschene Lehmgassen, gefolgt von einer
Schar kreischender Kinder, die sich aus dem Nichts zusammengerottet hatte.
„Wohin fahren wir jetzt?“, fragte Judith, die neben I Gede auf der Fahrerbank saß.
Der Balinese deutete nach vorne. „Freund. Holzschnitzer,“ brachte er in stark gefärbtem Englisch hervor. Aron schien es, als verschlechtere sich das
Englisch des Missionshelfers, je weiter er sich vom Missionszentrum entfernte, wo er Berichte über Plakataktionen und ähnliches in ziemlich fehlerfreier
Sprache aufzusagen vermochte.
„Wir waren vor zwei Tagen bei einem Holzschnitzer,“ antwortete Judith. Sie versuchte krampfhaft, ihre Ungeduld zu unterdrücken, um I Gede nicht zu
verärgern.
„Guter Freund,“ entgegnete I Gede mit breitem Grinsen.
Judith verdrehte die Augen. „Wenn Dan ihm angeschafft hat, uns an der Nase herumzuführen, steige ich auf der Stelle aus,“ sagte sie nach hinten zu Mark.
Der Fotograf zog die Mundwinkel nach unten. Er tippte I Gede auf die Schulter und versuchte, ihn umzustimmen. „Wir wollen nicht zu einem Holzschnitzer,
sondern zu dem Dorf. Wir sind viel zu spät aufgebrochen. Wir können deinen Freund auf dem Rückweg besuchen. Wir wollen auch nichts kaufen.“ Er redete
langsam, mit betont deutlicher Aussprache auf den Balinesen ein.
„Nichts kaufen, Tee trinken,“ versetzte I Gede freundlich. Er hielt den Kleinbus mitten auf dem Weg an. „Bitte,“ sagte I Gede, sprang aus dem Wagen und
schob die Türen auf. Als Judith und Mark aus dem Bus kletterten, waren sie im Handumdrehen von den Kindern umringt, die mit piepsigen Stimmchen auf sie
einschrien. Aus dem Tor trat ein Balinese. Mit einigen Worten verscheuchte er die Kinder, die sich wenige Meter zurückzogen und lachend, sich gegenseitig
anstoßend, wie eine lebende Mauer die Gasse versperrten. Mark nahm die Kamera und schoss Bilder von der vor Vergnügen kreischenden Schar. Indes begann I
Gede auf den Mann einzureden, der seine unwilligen Gäste mit Handbewegungen zum Eintreten
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