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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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aufforderte. Aron hielt sich im Hintergrund, betrachtete die
    Opfergaben vor dem Tor, gerollte Bananenblätter, mit Reis, Blüten und brennenden Räucherstäbchen gefüllt. Man sah diese Gaben überall, selbst in den
    Touristenorten lagen sie vor den Türen der Läden oder türmten sich zu kleinen duftenden Bergen vor Statuen an Wegkreuzungen und Plätzen. Der Mann bat seine
    Gäste, auf einem Steinpodest im Hof Platz zu nehmen, das von einem auf vier Holzsäulen ruhenden Strohdach überschattet wurde. Eine Frau im festlichen
    Sarong trat aus dem Haus, verneigte sich scheu, trug Tee und Früchte auf. Hinter ihr lugten Kinder aus der Türe, die runden schwarzen Augen brennend vor
    Neugierde. Schweigend stellte die Frau das Tablett auf den Boden und goss Tee in die Schalen.
    I Gede besprach sich eifrig mit dem Hausherrn. Ein halbwüchsiger Junge stieß dazu und wurde von I Gede ausführlich befragt. Die Stimmen klangen erregt.
    „Sie handeln die Provision für die Holzschnitzereien aus, die wir gleich kaufen werden,“ scherzte Mark. „Überall das gleiche. Jeder Fahrer in Asien hat
    einen Bruder, einen Onkel, einen Vetter, der aus reiner Menschenliebe etwas Interessantes herzeigen will, Tee serviert und dann umständlich bekannt gibt,
    dass man all das, was man gesehen hat, auch kaufen kann, natürlich zum einmaligen Sonderpreis. Es ist unmöglich, es nicht zu kaufen, nach all der
    Gastfreundschaft. Ich hoffe, du hast genug Geld dabei.“
    Judith nickte abwesend und nippte an ihrem Tee. Aron nahm ein Stück der ihm unbekannten grünen stacheligen Frucht vom Tablett. Als er das weiße, cremige
    Fruchtfleisch, das einen glatten Kern umschloss, zum Mund führte, stieg der Geruch von überlagertem Weichkäse in seine Nase. Geschmack und Konsistenz der
    Frucht waren entsprechend. Aron verzog das Gesicht.
    „Durian,“ sagte die belustigte Stimme I Gedes hinter ihm. „Beste Frucht auf Bali.“
    I Gede und der Herr des Hauses gesellten sich zu dem Kreis. I Gede versuchte zu erklären: „Alles in Ordnung. Wir können zu Dorf gehen. Wir sind
    willkommen.“
    Obwohl er offenbar kein Wort Englisch verstand, nickte der Hausherr zu den Worten I Gedes und deutete auf den Jungen, der sich vorhin am Gespräch der
    Balinesen beteiligt hatte und sich jetzt im Hintergrund hielt. „Madé wird führen. Dorf weit von Straße,“ sagte I Gede. „Wir müssen zu Fuß gehen.“
    Genüsslich schob er ein Stück Durian in den Mund.
    Eine Stunde später saßen sie wieder im Wagen. Madé hockte während der Fahrt zusammengekrümmt zwischen Judith und I Gede und verharrte angesichts der großen
    weißen Frau an seiner Seite in ehrfürchtigem Schweigen, regungslos, die Augen starr nach vorne gerichtet. Ab und zu wagte er einen vorsichtigen
    Seitenblick, ohne dass sich seine Miene aufhellte. I Gede steuerte auf einer engen Piste die Hügel empor. Lange fuhren sie, bis Madé plötzlich an die
    Windschutzscheibe klopfte und einige erregte Worte hören ließ. I Gede hielt an und stellte den Wagen an einer Kehre des Weges ab. „Jetzt laufen,“ sagte er.
    Ein Fußpfad führte einen schmalen Bergrücken hinauf. Auf der einen Seite war der Hang durch Reisterrassen in bewegte Rhythmen gegliedert und fiel sanft zu
    einer Ebene ab, in der inmitten von Feldern und Palmenhainen ein Dorf zu erkennen war, verwischt vom Dunst, der die Konturen der Landschaft in milchigem
    Licht verschwimmen ließ. Zur anderen Seite lag ein steil eingeschnittenes Tal, in dem zwischen Buschwerk und Bäumen ein Bach rauschte. Madé hatte sich
    Marks Kamerakoffer aufgeladen und lief trotz dieser Last so rasch voran, dass die anderen kaum zu folgen vermochten. Auf der Spitze des Hügels, wo sich der
    Grat, auf dem sie gewandert waren, zu einem Plateau mit Reisfeldern erweiterte, lag im Schatten eines Wairinginbaumes ein Schrein, umgeben von bemoosten,
    zerbröckelnden Steinmauern, geschmückt mit gelben, sichelförmigen Fahnen. Vor dem Bildnis eines zähnebleckenden, mit schwarz gewürfelter Schürze
    bekleideten Dämons zwischen dem Wurzelwerk des Baumes lag ein Berg von Opfergaben. Der Duft von Räucherwerk erfüllte die Luft. Sie hielten an, um Atem zu
    holen und sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Obwohl die Luft in den Hügeln frischer und weniger feucht war als in Sanur, machte die Hitze den
    Wanderern zu schaffen. Als das Geräusch ihrer Schritte verklungen war und ihr Atem ruhiger ging, hörten sie das Quaken der Enten in den Reisfeldern und das
    Murmeln eines

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