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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Verhör abzukürzen, das unser Gewissen quält und unseren Sinn für Mitleid und Güte verletzt!«
    239
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    »Und was soll ich gestehen?«
    »Zweierlei Sünden. Erstens, daß du zur Sekte der Dolcinianer gehört hast, daß du ihre häretischen Ansichten, ihre schamlosen Gebräuche und ihre gottlosen Anschläge auf die Würde der Bischöfe und der städtischen Magistrate teiltest und daß du unbußfertigerweise ihre Lügen und Illusionen weiterhin teilst, auch nach dem Tode des Häresiarchen und der Auflösung seiner Sekte, die freilich immer noch nicht ganz zerschlagen und vernichtet ist. Zweitens, daß du, in tiefster Seele verdorben durch die Praktiken, die du in jener Sekte erlernt hast, schuldig bist an den Verbrechen gegen die Ordnung Gottes und der Menschen, die hier in dieser Abtei verübt worden sind, verübt aus Gründen, die mir zwar noch entgehen, aber die auch gar nicht so dringend geklärt werden müssen, wenn erst einmal vor aller Augen bewiesen ist (wie wir es hier tun), daß die Ketzerei derer, die den Gläubigen Armut predigen wider die Lehren unseres guten Herrn Papstes und seiner Bullen, letzten Endes nur zu verbrecherischen Handlungen führen kann! Das ist es, was die Gläubigen lernen müssen, und das genügt mir. Gestehe!«
    Es war jetzt klar, worauf Bernard hinauswollte. In keiner Weise daran interessiert, den wahren Mörder zu finden, der in der Abtei sein Unwesen trieb, ging es ihm lediglich um den Beweis, daß Remigius die von den kaiserlichen Theologen vertretenen Ideen irgendwie teilte. Denn durch den Beweis eines Zusammenhangs zwischen diesen Ideen, die auch die Ideen des Kapitels zu Perugia waren und die der Fratizellen und die der Dolcinianer, sowie durch den Beweis, daß es hier in der Abtei einen gab, der all jene ketzerischen Ideen teilte und zugleich Urheber soundsovieler Verbrechen war, hätte Bernard seinen Gegnern einen wahrhaft tödlichen Hieb versetzt . . . Ich schaute zu William und sah, daß er es gleichfalls begriffen hatte, aber nichts dagegen zu tun vermochte. Ich schaute zum Abt hinüber und sah, wie sein Blick sich verfinsterte: Er machte sich klar, daß auch er in die Falle gegangen war und daß seine Mittler-Autorität zusammenbrach, erschien er doch nun als Herr eines Ortes, an welchem sämtliche Ruchlosigkeiten des Jahrhunderts sich ein Stelldichein gaben. Was schließlich den Angeklagten betraf, so wußte er nicht mehr, welcher der beiden Anklagen er sich zuerst erwehren sollte. Aber vielleicht war er jetzt auch zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, denn der Schrei, den er ausstieß, kam aus seiner tiefsten Seele, mit ihm und in ihm schrie er sich frei von jahrzehntelangen Gewissensbissen, oder anders gesagt: Nach einem Leben voller Ungewißheiten, Begeisterungen und Enttäuschungen, voller Feigheiten und Verrat, beschloß er nun endlich, konfrontiert mit der Unvermeidlichkeit seines Ruins, den Glauben seiner Jugendzeit zu bekennen, ohne sich länger zu fragen, ob er falsch oder richtig war, gleichsam wie um sich selbst zu beweisen, daß er noch zu einem Glauben fähig war.
    »Ja, es ist wahr!« schrie er auf. »Ich bin bei Dolcino gewesen, ich habe seine Verbrechen und seine Freizügigkeiten geteilt, vielleicht war ich verrückt, vielleicht verwechselte ich die Liebe zu Unserem Herrn Jesus Christus mit dem Bedürfnis nach Freiheit und mit dem Haß auf die Bischöfe. Ja, es ist wahr, ich habe gesündigt, aber ich bin unschuldig an den Vorfällen in der Abtei, ich schwöre es!«
    »Das ist immerhin schon mal etwas«, sagte Bernard. »Du gibst also zu, die Häresie Dolcinos und seiner Hexe Margaretha und ihrer Genossen geteilt zu haben. Gibst du zu, daß du bei ihnen warst, als sie unweit von Trivero viele gläubige Christen an den Bäumen aufhängten, darunter ein unschuldiges Kind von zehn Jahren? Und daß du dabei warst, als sie weitere Männer aufknüpften vor den Augen ihrer Frauen und ihrer Eltern, weil sie sich der Willkür dieser Hunde nicht unterwerfen wollten? Und weil ihr Ketzer inzwischen glaubtet, verblendet durch eure Hoffart und Raserei, daß niemand erlöst werden könne, der nicht zu eurer Sekte gehörte? Rede!«
    »Ja, ja, ich habe das alles geglaubt und getan!«
    »Und du warst dabei, als sie etliche treue Bischofsanhänger fingen und etliche elend verhungern ließen im Kerker? Und als sie einer schwangeren Frau eine Hand und einen Arm abschlugen und sie dann ein Kind gebären ließen, das gleich nach der Geburt

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