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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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in der Lage war, das Verhalten und Urteil der pontifikalen Legation durch gewaltsame Akte zu beeinflussen.
    Gar nichts würde es bringen, die geschehenen Verbrechen etwa verschweigen zu wollen, denn sollte womöglich ein weiteres geschehen, so würden die pontifikalen Legaten sicherlich meinen, es handele sich um einen Anschlag gegen sie. Folglich gab es nur zwei Lösungen: Entweder fand William den Mörder, bevor die Legation eintraf (und bei diesen Worten sah der Abt meinem Herrn streng ins Gesicht, als wollte er ihn stillschweigend dafür tadeln, daß er den Mörder noch nicht gefunden hatte), oder man mußte den Vertreter des Papstes loyal über das Geschehene informieren und offiziell um Unterstützung bitten, damit er die Abtei für die Dauer der Verhandlungen unter strenge Bewachung stellen ließ. Das aber mißfiel dem Abt sehr, würde es doch bedeuten, daß er auf einen Teil seiner Souveränität verzichten und seine Mönche unter die Kontrolle der Franzosen stellen müßte. Andererseits durfte man aber auch nichts riskieren. William und er waren beide nicht sonderlich angetan von dieser Aussicht, doch sie hatten kaum eine andere Wahl. So kamen sie überein, am Abend des folgenden Tages eine endgültige Entscheidung zu treffen. Bis dahin blieb ihnen nichts weiter übrig, als sich der Barmherzigkeit Gottes und dem Scharfsinn Williams anzuvertrauen.
    »Ich werde mein möglichstes tun«, versicherte William. »Auf der anderen Seite sehe ich aber nicht recht, inwiefern diese Sache das Treffen ernsthaft kompromittieren könnte. Auch der Vertreter des Papstes wird doch schließlich begreifen, daß es einen Unterschied gibt zwischen dem Treiben eines Verrückten oder Blutgierigen – oder auch nur einer verirrten Seele – und den ernsten Problemen, die nüchterne Männer hier zu erörtern haben.«
    »Meint Ihr?« fragte der Abt und sah William fest in die Augen. »Vergeßt nicht, daß die Avignoneser sich bewußt sind, hier Minoriten zu treffen, also gefährliche Leute, die den Fratizellen nahestehen und anderen, noch verbohrteren als den Fratizellen, blutrünstigen Ketzern, die sich schlimmster Verbrechen schuldig gemacht haben« – der Abt senkte die Stimme – »Verbrechen, mit denen verglichen die hier geschehenen Missetaten wie Nebelschwaden vor der Sonne verblassen!«
    »Das kann man doch nicht in einem Atemzug nennen!« rief William lebhaft aus. »Ihr könnt doch nicht ernsthaft die Minoriten des Kapitels zu Perugia auf ein und dieselbe Stufe stellen mit einer Bande von Häretikern, die in falschem Verständnis der Botschaft des Evangeliums den Kampf gegen die Reichtümer dieser Welt verwandelt haben in eine Reihe privater Racheakte und sinnloser Morde!«
    »Erst vor wenigen Jahren«, antwortete kühl der Abt, »und nur wenige Tagereisen von hier entfernt hat eine dieser Banden, wie Ihr sie nennt, die Ländereien des Bischofs von Vercelli und die Berge von Novara mit Brandschatzung, Raub und Mord überzogen.«
    93
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    »Ihr sprecht von Fra Dolcino und den Apostoli . . .«
    »Den Pseudo-Apostoli«, korrigierte der Abt. Und wieder hörte ich diese Namen, und wieder wurden sie mit einer spürbaren Scheu ausgesprochen und mit einem Hauch von Erschrecken.
    »Den Pseudo-Apostoli«, bestätigte William gern. »Aber sie hatten nichts mit den Minoriten zu tun . . .«
    »Mit denen sie immerhin die Verehrung für Joachim von Fiore teilten«, beharrte der Abt. »Fragt doch Euren Mitbruder Ubertin!«
    »Ich weise Eure Erhabenheit darauf hin, daß Ubertin von Casale jetzt Euer Mitbruder ist«, erwiderte William lächelnd und mit einer leichten Verbeugung, als wollte er dem Abt gratulieren, daß er nun einen so bedeutenden Mann zu den Seinen zählen konnte.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte der Abt. »Und Ihr wißt, mit welch brüderlicher Fürsorge unser Orden die Spiritualen aufnahm, als sie vom Zorn des Papstes verfolgt wurden. Ich spreche nicht nur von Ubertin, sondern auch von vielen anderen, weniger hochberühmten Brüdern, von denen man nicht viel weiß, aber mehr wissen sollte. Denn es hat sich ergeben, daß wir Flüchtlinge aufnahmen, die in der Kutte der Minoriten bei uns angeklopft hatten, und später erfuhr ich dann, daß sie durch die Wechselfälle ihres Lebens eine Zeitlang den Dolcinianern recht nahegekommen waren . . .«
    »Auch hier?« fragte William.

»Auch hier. Ich will Euch etwas enthüllen, worüber ich in Wahrheit leider recht wenig weiß und in keinem Falle genug, um

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