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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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und den Anhängern des Priesters Liprandus, so haben, Ihr wißt es genau, die kaiserlichen Behörden und ihre Vertreter oft nicht zwischen Spiritualen und Häretikern unterschieden. Nicht selten haben ghibellinische Gruppen, um ihre guelfischen Gegner zu schlagen, im Volk katharische Neigungen unterstützt. Ich fand das nicht gut. Aber heute weiß ich, daß dieselben Gruppen, um sich dieser unruhig und gefährlich gewordenen allzu ›einfachen‹ Hilfstruppen dann wieder zu entledigen, oftmals den einen die Häresien der anderen vorwarfen und sie schließlich allesamt auf den Scheiterhaufen schickten. Ich schwöre Euch, Abbo, ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Männer von tugendhafter Lebensführung, ehrliche Anhänger der Armut und Keuschheit, aber Gegner der Bischöfe, von diesen Bischöfen kaltblütig dem weltlichen Arm überantwortet wurden, mochte er nun im Dienst des Reiches oder in dem der freien Städte stehen, wobei ihnen sexuelle Promiskuität und Sodomie und ähnliche schamlose Praktiken unterstellt wurden – derer sich vielleicht andere, nicht aber diese schuldig gemacht hatten! Das einfache Volk war immer nur Schlachtvieh und Werkzeug, man bediente sich seiner, um die gegnerische Macht zu erschüttern, und man warf es fort, wenn man es nicht mehr brauchte.«
    »Waren demnach«, fragte der Abt maliziös, »Fra Dolcino und seine Besessenen oder Gerhardus Segarelli mit seinen Mordbrennern irregeleitete Katharer oder tugendhafte Fratizellen, sodomitische Bogomilen oder reformatorische Patarener? Sagt mir doch bitte, Bruder William, Ihr, die Ihr alles über die Ketzer wißt, so daß man fast meinen möchte, Ihr wäret selber einer: Wo liegt die Wahrheit?«
    »Manchmal nirgendwo«, antwortete William traurig.
    »Seht Ihr, auch Ihr wißt nicht mehr zwischen Ketzern und Ketzern zu unterscheiden! Ich habe da wenigstens eine Regel. Ich weiß, daß alle diejenigen Ketzer sind, welche die Ordnung, in der das Gottesvolk lebt, auf den Kopf stellen. Und ich verteidige das Reich, weil es mir diese Ordnung garantiert. Den Papst bekämpfe ich, weil er im Begriff ist, die geistliche Macht den Stadtbischöfen zu übertragen, die sich mit den Kaufleuten und Zünften verbünden und diese Ordnung nicht mehr zu wahren vermögen. Wir haben sie jahrhundertelang gewahrt. Und was schließlich den Umgang mit Ketzern betrifft, so habe ich dafür auch eine Regel. Sie läßt sich resümieren in der Antwort des Abtes von Citeaux, Arnaldus Amalric, auf die Frage, was mit den Bürgern von Béziers geschehen sollte, als man die Stadt der Häresie verdächtigte. Arnaldus sagte: Tötet sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen.«
    William senkte die Augen und blieb eine Zeitlang stumm. Dann sagte er leise: »Die Stadt Béziers wurde eingenommen, und die Unseren sahen weder auf Würde noch auf Alter noch auf Geschlecht, und nahezu zwanzigtausend Menschen starben durchs Schwert. Nach derart vollbrachtem Gemetzel wurde die Stadt geplündert und in Brand gesteckt.«
    »Auch ein heiliger Krieg ist ein Krieg.«
    »Auch ein heiliger Krieg ist ein Krieg. Und darum sollte es vielleicht keine heiligen Kriege mehr geben.
    Aber was rede ich, ich bin hierhergekommen, um Kaiser Ludwigs Rechte zu vertreten, der im Begriff ist, ganz Italien in Brand zu stecken! Auch ich bin nur ein Spielball seltsamer Allianzen. Seltsame Allianz der Spiritualen mit dem Kaiser, seltsame Allianz des Kaisers mit Marsilius, der die Souveränität für das Volk verlangt, und seltsam ist auch die Allianz zwischen uns beiden, die wir durch Herkunft und Ziele so verschieden sind. Aber wir haben zwei gemeinsame Aufgaben: das Treffen erfolgreich durchzuführen und den Mörder zu finden. Versuchen wir also, sie in Frieden zu lösen.«
    Der Abt breitete seine Arme aus. »Gebt mir den Friedenskuß, Bruder William! Mit einem Manne von Eurer Bildung könnte man lange disputieren über subtile Fragen der Theologie und Moral. Aber wir dürfen uns nicht der Disputierlust ergeben wie die gelehrten Herrn zu Paris. Es ist wahr, wir haben eine Aufgabe vor uns und müssen versuchen, sie gemeinsam und im Geiste der Eintracht zu lösen. Ich habe von all diesen Dingen auch nur gesprochen, weil ich glaube, daß sie in einem Zusammenhang stehen, in einem möglichen Zusammenhang, versteht Ihr? Beziehungsweise weil andere einen Zusammenhang herstellen könnten zwischen den Verbrechen, die hier geschehen sind, und den Thesen Eurer Mitbrüder. Nur darauf wollte ich Euch hinweisen, denn wir müssen

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