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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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und hierauf möge sich meine schwache Feder beschränken in treuer Erfüllung ihrer Chronistenpflicht!
    Ich weiß nicht, Wie lange ich neben dem Mädchen auf dem Boden lag. Sanft streichelte ihre Hand weiter meinen nun schweißgebadeten Leib. Ein innerer Jubel durchströmte mich, der nicht eigentlich Friede war, eher das letzte Aufflackern eines unter der Asche noch weiterglimmenden Feuers dessen Flammen bereits erloschen sind. Wahrlich, ich würde nicht zögern (murmelte ich wie im Traum), jeden Sterblichen selig zu nennen, dem es vergönnt ist, solch eine wunderbare Erfahrung zu machen; sei's auch nur selten in diesem Leben, sei's auch nur einmal (wie es bei mir in der Tat der Fall war), sei's auch nur für die Dauer eines winzigen Augenblicks. Es ist, als ob man verginge; als ob man schwerelos würde und nichts mehr spürte vom niederdrückenden Erdengewicht des Körpers, und wer von den Sterblichen (sagte ich mir) auch nur einen verschwindend kurzen Moment lang kosten konnte von dem, was ich Soeben gekostet, er würde fortan mit Unwillen auf diese ganze perverse Welt herabsehen, würde sich abwenden von der Niedertracht des alltäglichen Lebens, wurde die Hinfälligkeit des plumpen und starren Körpers empfinden. War es nicht das, was man mich immer gelehrt hatte? Ja, und diese unwiderstehliche Einladung an meinen Geist, sich ganz und gar zu vergessen in der Glückseligkeit, das war gewiß (jetzt begriff ich es) die Strahlkraft der Sonne, und die gleißende Freude, die sie hervorbringt, öffnet, erweitert, vergrößert den Menschen, und der klaffende Abgrund in seinem Innern schließt sich nicht wieder so leicht, denn er ist die Wunde, die das Schwert der Liebe geschlagen hat, und es gibt nichts hienieden, was süßer und schrecklicher wäre. Dies aber ist das Recht der Sonne, daß sie ihre Strahlen wie Pfeil schießt«, die Wunde, und alle Schrunde und Falten erweitern sich, der Mensch tut Sich auf und geht auseinander, die Adern platzen, die Muskeln befolgen nicht mehr die Befehle des Hirns sie lassen sich nur noch treiben vom Verlangen der Sinne, und der Geist lodert auf, eingetaucht in die Abgründe dessen, was er auf einmal berührt; und sieht sein eigenes Verlangen und seine eigene Wahrheit fortgerissen und überwältigt von dieser neuen, erlebten Wirklichkeit. Und staunend wird er zum Zeugen der eigenen lustvollen Ohnmacht …
    Überströmt von derart unsäglichen Glücksgefühlen schlief ich ein.
     
    Als ich die Augen nach einiger Zeit wieder öffnete, war das Nachtlicht bedeutend schwächer geworden, vielleicht weil eine Wolke sich vor den Mond geschoben hatte. Ich tastete mit der Hand zur Seite und faßte ins Leere. Ich drehte den Kopf: Das Mädchen war weg.
    Die Abwesenheit des Körpers, der mein Verlangen so heiß entzündet und meine Gier so herrlichgestillt hatte, machte mir jäh die Eitelkeit dieses Verlangens und die Ruchlosigkeit dieser Gier bewußt. Omne animal triste post coitum 70 . Mir wurde klar, daß ich gesündigt hatte. Noch heute indes, Jahrzehnte und Aberjahrzehnte später, und während ich meinen Fehltritt immer noch heftig beklage, kann ich nicht vergessen, daß ich damals in jener Nacht unsägliche Freude empfand, und ich täte Unrecht dem Allerhöchsten, der alle Dinge so gut und schön geschaffen hat, wenn ich nicht zugäbe, daß auch in jener Begegnung zweier sündiger Menschen etwas geschah, das an sich, naturaliter , gut und schön war. Doch vielleicht ist es auch nur mein Alter, das mir verwerflicherweise alles als gut und schön erscheinen läßt, was mit meiner Jugend zu tun hat, während ich doch mein ganzes Denken dem nahen Tod zuwenden sollte. Damals freilich, als ich jung war, dachte ich nicht an den Tod, sondern weinte, weinte bitterlich über meine Sünde.
    Ich erhob mich zitternd, auch weil ich so lange auf dem kalten Steinboden gelegen hatte, und mein Körper war steif. Wie ein Fiebernder schlüpfte ich in meine Kleider. Dabei entdeckte ich in einer Ecke das Bündel, das die entschwundene Schöne zurückgelassen hatte. Ich kniete nieder, um es zu untersuchen. Es war eine Art Säckchen aus zusammengeknotetem Tuch, das aus der Küche zu stammen schien. Ich knüpfte es auf und erkannte nicht gleich, was es enthielt, teils wegen des schwachen Lichtes, teils wegen der Unförmigkeit seines Inhalts. Dann aber begriff ich: Zwischen Klumpen geronnenen Blutes und Fetzen von weichem weißlichem Fleisch lag vor meinen Augen, tot, aber noch zuckend vom gallertartigen Leben der

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