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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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privilegio panegiricum poemataque passim prosatori sub polo promulgatas 86 … Alle Wörter fangen mit demselben Buchstaben an!«
    »Die Leute von meinen Inseln sind alle ein bißchen verrückt«, sagte William stolz. »Sehen wir mal in dem anderen Schrank nach.«
    »Virgilius.«
    »Wieso? Was? Die Georgica ?«
    »Nein. Epitomae . Nie davon gehört.«
    »Aber das ist ja auch nicht der Dichter, das ist Virgilius Tolosanus, der Rhetoriker, sechs Jahrhunderte nach der Geburt Unseres Herrn. Galt zu seiner Zeit als großer Gelehrter …»
    »Hier sagt er, die Künste seien poema , rhetoria , grama , leporia , dialecta , geometria … Was ist das für eine Sprache?«
    »Latein, aber ein selbsterfundenes Latein, das er viel schöner fand. Schau, hier sagt er zum Beispiel, die Astronomie studiere die Tierkreiszeichen, und deren Namen seien mon , man , tonte , piron , dameth , perfellea , belgalic , margaleth , lutamiron , taminon und raphalut .«
    »War er verrückt?«
    »Ich weiß nicht, er war jedenfalls nicht von meinen Inseln. Hör weiter, er sagt auch, es gebe zwölf Bezeichnungen für das Feuer: ignis, coquihabin (quia incocta coquendi habet dictionem), ardo, calax ex calore, fragon ex fragore flammae, rusin de rubore, fumaton, ustrax de urendo, vitius quia pene mortua membra suo vivificat, siluleus, quod de silice siliat, unde et silex non recte dicitur, nisi ex qua scintilla silit . Und schließlich aeneon, de Aenea deo qui in eo habitat, sive a quo elementis flatus fertur . 87 «
    »Aber so redet doch niemand!«
    »Zum Glück nicht. Aber es waren finstere Zeiten, in denen sich die Grammatiker mit abstrusen Fragen vergnügten, um eine schlechte Welt zu vergessen. Einmal, so heißt es, diskutierten die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius vierzehn Tage und vierzehn Nächte lang über den Vokativ von ego . Am Ende griffen sie zu den Waffen …«
    »Aber auch das hier ist komisch …« Ich hatte ein herrlich bemaltes Buch aufgeschlagen mit Bildern von Pflanzen-Labyrinthen, in deren Ranken sich Affen und Schlangen tummelten. »Hört, was für seltsame Wörter hier stehen: cantamen , collamen , gongelamen , stemiamen , plasmamen , sonerus , alboreus , gaudifluus , glaucicomus …«
    »Meine Inseln, meine Inseln …«, wiederholte William zärtlich. »Sei nicht zu streng mit jenen Mönchen aus dem fernen Hibernia. Daß diese Abtei hier existiert, daß wir überhaupt noch vom Heiligen Römischen Reich sprechen können, verdanken wir vielleicht ihnen. Du mußt wissen, in jener dunklen Epoche war der Rest Europas zu einem Haufen Ruinen zerfallen, eines Tages wurden die Taufakte annulliert, die einige Priester in Gallien vorgenommen hatten, weil die Guten in nomine patris et filiae getauft hatten – und das nicht etwa, weil sie eine neue Häresie praktizierten und die Ansicht vertraten, Jesus sei ein Weib gewesen, sondern weil sie einfach nicht mehr richtig Latein konnten.«
    »Wie Salvatore?«
    »So ungefähr. Seeräuber aus dem äußersten Norden drangen bis nach Italien vor, fuhren die Flüsse hinauf und plünderten Rom. Die heidnischen Tempel fielen in Trümmer, die christlichen existierten noch nicht. Allein die hibernischen Mönche saßen in ihren Klöstern und schrieben und lasen, lasen und schrieben, und malten … Und dann bestiegen sie schwankende Boote aus Tierhaut und fuhren über das Meer und kamen in eure Länder und evangelisierten sie, als wärt ihr Europäer allesamt Ungläubige gewesen, verstehst du? Du bist in Bobbio gewesen und hast die wunderbare Abtei dort gesehen, sie ist von Sankt Columban gegründet worden, einem der ihren. Also laß sie ruhig ein neues Latein erfinden, sie hatten das Recht dazu in einem Europa, in dem man das alte kaum noch konnte. Sie waren große Männer. Sankt Brendan gelangte auf seinen Reisen bis zu den Inseln der Seligen, und er streifte die Küsten der Hölle, wo er Judas an eine Klippe gekettet schmachten sah, und eines Tages ging er auf einer Insel an Land, und da war's ein Seeungeheuer … Natürlich waren sie alle verrückt«, wiederholte William zufrieden.
    »Aber ihre Bilder sind … ganz unglaublich schön. Und diese Farben!« rief ich bewundernd aus.
    »Nicht wahr? Und dabei lebten sie in einem Land, das nur wenige Farben hat, ein bißchen Blau und viel Grün … Aber wir sind nicht hier, um über die hibernischen Mönche zu diskutieren! Ich möchte viel lieber wissen, warum ihre Werke hier stehen, zusammen mit denen der Angelsachsen und der Grammatiker aus anderen

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