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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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natürlich allen zuvorgekommen sein: Jorge hat uns im Narthex gehört, geht ins Skriptorium, sagt Malachias, daß ein Buch aus der Bibliothek bei Severin ist, Malachias kommt her, beschwatzt Severin, ihm die Tür zu öffnen, und tötet ihn, Gott weiß warum … Aber er hätte das Buch erkennen müssen, ohne hier alles auf den Kopf zu stellen, er ist schließlich der Bibliothekar! Wer bleibt also übrig?«
    »Benno«, sagte William.
    Benno schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Bruder William! Ihr wißt, daß ich vor Neugier brannte, aber wenn ich hier eingedrungen wäre und mit dem Buch hätte verschwinden können, dann wäre ich jetzt nicht hier, sondern säße irgendwo im verborgenen, um meinen Schatz zu prüfen …«
    »Klingt recht überzeugend«, lächelte William. »Aber auch du weißt nicht, wie das Buch aussieht. Du könntest Severin umgebracht haben und jetzt hier sein, um es zu suchen.«
    Benno errötete heftig: »Ich bin kein Mörder!«
    »Niemand ist einer, bevor er den ersten Mord begeht«, sagte William philosophisch. »In jedem Fall ist das Buch nicht mehr hier, und das beweist hinlänglich, daß du es nicht hiergelassen hast. Und wenn du es gefunden hättest, soviel scheint mir in der Tat klar, dann hättest du dich vorhin im Gewimmel damit verdrückt.«
    Er wandte sich zu dem Ermordeten und betrachtete ihn eine Zeitlang schweigend. Es schien, als machte er sich erst jetzt den Tod seines Freundes bewußt. »Armer Severin«, murmelte er, »auch dich und deine Gifte hatte ich im Verdacht. Und du warst auf ein verborgenes Gift gefaßt, sonst hättest du nicht deine Handschuhe angezogen. Du fürchtetest eine Gefahr aus der Erde, und sie traf dich vom Himmelsgewölbe …« William nahm die Armillarsphäre und drehte sie nachdenklich in der Hand. »Warum mag der Mörder wohl ausgerechnet diese Mordwaffe benutzt haben?«
    »Sie war gerade zur Hand.«
    »Kann sein. Aber es waren auch andere Dinge zur Hand, Krüge, Gartengeräte … Wirklich ein Musterbeispiel feinster Metallkunst und gelehrter Astronomie. Jetzt ist es ruiniert … Heiliger Himmel!« fuhr er plötzlich hoch.
    »Was ist?«
    »Und es ward geschlagen der dritte Teil der Sonne und der dritte Teil des Mondes und der dritte Teil der Sterne …«, rezitierte mein Meister. Ich kannte die Offenbarung Johannis zu gut: »Die vierte Posaune!« rief ich erschrocken.
    »In der Tat: erst Hagel, dann Blut, dann Wasser und jetzt die Sterne … Aber wenn das so ist, dann müssen wir alles neu bedenken: Der Mörder hat nicht aufs Geratewohl zugeschlagen, sondern einen Plan verfolgt … Aber ist so was möglich? Ist es vorstellbar, daß einer nur tötet, wenn er dabei nach dem Muster der apokalyptischen Prophezeiungen vorgehen kann? Gibt es ein so teuflisches Hirn?«
    »Was verkündet die fünfte Posaune?« fragte ich entsetzt und versuchte mich an die Worte des Apostels zu erinnern: »Und ich sah einen Stern, gefallen vom Himmel auf die Erde, und ihm ward der Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds gegeben … Wird jemand in den Brunnen gestoßen?«
    »Die fünfte Posaune verspricht uns noch viele andere Übel«, sagte William. »Aus dem Brunnen steigt der Rauch eines Ofens auf, und aus dem Rauch kommen Heuschrecken, um die Menschen zu quälen mit Stacheln wie von Skorpionen, und die Heuschrecken sehen wie Kriegsrosse aus und haben goldene Kronen und Zähne wie Löwen … Unser Mann hat viele Möglichkeiten, die Worte des Buches zu erfüllen … Aber versteigen wir uns nicht in Phantastereien! Versuchen wir lieber einmal zu rekonstruieren, was Severin genau sagte, als er im Narthex mit uns sprach … Er sagte, er hätte ein Buch gefunden …«
    »Und Ihr sagtet, er solle es Euch gleich herbringen, und er sagte, das könne er nicht …«
    »Ja, und dann wurden wir unterbrochen. Warum konnte er nicht? Ein Buch kann man tragen. Und warum zog er sich Handschuhe an? Ob irgend etwas am Einband des Buches ist? Etwas im Zusammenhang mit dem Gift, an dem Berengar und Venantius gestorben sind? Eine tückische Falle, eine vergiftete Stelle …«
    »Eine Schlange!« regte ich an.
    »Warum nicht ein Wal? Nein, wir phantasieren schon wieder! Das Gift muß durch den Mund in den Körper, wie wir gesehen haben. Außerdem hat Severin nicht gesagt, er könne das Buch nicht tragen. Er hat gesagt, ich müsse selber kommen und sehen, es sei gefährlich. Und er hat sich Handschuhe angezogen … Womit wir einstweilen nur wissen, daß dieses mysteriöse Buch mit Handschuhen angefaßt werden

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