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Der Name der Welt

Der Name der Welt

Titel: Der Name der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Johnson
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dies und mehr erzählte sie mir, kaum waren wir das erste Mal allein, in der Zeit, die sie brauchte, um eine Zigarette zu rauchen und einen doppelten Schnaps zu kippen, während wir darauf warteten, dass Ted die Treppe zum Dooley Noodle’s, dem besagten Kellerlokal, heruntertorkelte. Außerdem offenbarte sie mir, dass ihr Mann zwei Jahre zuvor an einem Lymphom gestorben war, als Folge von Aids.
    Bei anderen Gelegenheiten behauptete sie, in den Siebzigern einen Bombenanschlag auf ein Kraftwerk verübt, ein beim Bau von weitreichenden Observatoriumsteleskopen verwendetes Verfahren entwickelt und als Dreizehnjährige eine heiße, weltumspannende Affäre mit Ernest Hemingway gehabt zu haben; ihren Andeutungen nach hatte er ihretwegen mit allem Schluss gemacht. Sie bezeichnete sich gern als Kratzbürste. «Gebt doch der Kratzbürste mal Feuer …» –«Die Kratzbürste meldet sich zum Pinkeln ab …» – «Selbst die Kratzbürste kriegt mal Hunger, also lasst uns was essen!» Trotz allem, was ihr widerfahren war, schien sie weder traurig noch verbittert. Ich bin mir nicht sicher, warum ich mich hier überhaupt über Eloise verbreite, es sei denn, um mir selbst vor Augen zu führen, zu was für Leuten ich mich damals hingezogen fühlte. Das staatliche Bildungssystem war hauptsächlich Show. Daraus machten sie und Ted MacKey keinen Hehl. Sie gehörten eben zu dem Typus, der im wabernden Dunstkreis hinterhältiger Zynismen, gelegentlicher Genialität und kleinlichen, höflichen Terrors gedieh.
    Und tatsächlich, Ted hat sich gut gehalten. Genauso wie Eloise Sprungl. Und obwohl ich sehe, dass ich mit der Aufzeichnung dieser Erinnerungen noch gar nicht fertig bin, könnte ich Ihnen ja auch schon mal von den anderen berichten:
    Clara Frenow besiegte den Krebs, ließ sich frühpensionieren und schloss sich, so wurde kolportiert, entweder dem Peace Corps an oder kaufte sich ein Bed-and-Breakfast in Minnesota. Vielleicht hat sie ja beides getan. Was Flower Cannon angeht, ich habe keine Ahnung, was aus ihr geworden ist, aber falls ich sie je irgendwo aufspüre, wird sie mit Sicherheit etwas ziemlich Schockierendes im Schilde fuhren, und ich werde kein bisschen überrascht sein. Natürlich war ich in Bezug auf Tiberius Soames’ Namen die ganze Zeit unehrlich, weil Ihnen sein richtiger bestimmt vertraut gewesen wäre. Vor drei Jahren teilten er und Marcel Delahey sich den Nobelpreis für Wirtschaft. Er hat nun einen gutgepolsterten Lehrstuhl an der University of Chicago und tut den lieben langen Tag, was er will. Ted MacKey und ich korrespondieren noch, zumindest schicken wir einander Postkarten. Seine letzte: «Ich spiele jetzt den Zuhälter für ein paar Studentinnen, und ich bin einem Hexenzirkel beigetreten. Marie [seine Frau] hat eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen. Wir konnten dich nie ausstehen. Melde dich mal.» Das Foto zeigt ein riesiges Stoppelfeld, über das er Verzeih die abgedroschenen Phrasen gekritzelt hatte.
    Und apropos Preise: Vielleicht haben Sie mitgekriegt, dass T. K. Nickerson im vorletzten Jahr den Pulitzerpreis erhalten hat – seinen zweiten. Ich habe mir das Buch gekauft und fand es unlesbar. Er ließ darauf schnell ein weiteres folgen, das ich eines Tages beim Stöbern in einer Buchhandlung in die Finger bekam und noch am selben Abend in einem einzigen Rutsch verschlang; inzwischen habe ich es mit ebenso großem Vergnügen noch einmal gelesen. Schreiben kann er also noch. Er hat Kelly Stein geheiratet, jedenfalls meine ich, das gehört zu haben. Und was ist mit J. J.? Vor zwei Jahren erreichte mich diese Nachricht, und ich habe sie noch immer nicht weggeworfen:
     
     
    Lieber Michael,
    das hier wird ein seltsamer kleiner Brief werden, Mike, aber ich kann dieses nervige, lächerliche Gefühl nicht loswerden, etwas nicht zu Ende erzählt zu haben, was ich aber zu Ende erzählen muss. Es ist egoistisch von mir, Sie damit zu behelligen, weil Sie Armer im Grunde nur als zufälliger Ohrenzeuge damit zu tun hatten. Aber das erklärt nichts, also lassen Sie mich erklären. An dem Abend, als ich mit Ihnen im Capiche essen war, dem Abend, als ich von Trevor Watts Ableben erfuhr, sagte ich zu Ihnen, er sei einmal wichtig für mich gewesen, und erst dann fiel mir ein, dass ich seit Jahren nicht an ihn gedacht hatte. Hier nun der nicht abgeschlossene Gedankengang: Nein, das war falsch, und ich hätte dazusagen sollen: Jetzt ist er tot, und ich merke, ich fühle mich frei, denn ob Trevor mir nun im Kopf

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