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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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obwohl es offensichtlich ein Schwert war, hatte es doch keine vertraute Gestalt. Zumindest wäre es in diesem Dorf niemandem vertraut vorgekommen. Es sah aus, als hätte ein Alchemist ein Dutzend Schwerter destilliert, und als der Tiegel dann abgekühlt war, lag das auf seinem Grund: ein Schwert in seiner reinsten Form. Es war schlank und geschmeidig. Es war so tödlich wie ein scharfer Stein in einem reißenden Strom.
    Kote hielt es einen Moment lang. Seine Hand zitterte nicht.
    Dann legte er das Schwert auf die Wandhalterung. Das grauweißeMetall zeichnete sich hell vor dem dunklen Roah-Holz ab. Der Griff war zwar noch zu erkennen, doch war er so dunkel, dass er sich kaum von dem Holz abhob. Das Wort darunter, schwarz auf dunkelgrau, schien zu tadeln: Torheit .
    Kote stieg herab, und einen Moment lang standen Bast und er Seite an Seite und sahen schweigend hinauf.
    Bast brach das Schweigen. »Es ist wirklich eindrucksvoll«, sagte er, als bedauere er diese offenkundige Tatsache. »Aber …« Er verstummte, suchte nach den passenden Worten. Er schauderte.
    Kote klopfte ihm seltsam vergnügt auf den Rücken. »Mach dir mal meinetwegen keine Sorgen.« Er wirkte jetzt lebhafter, so als hätte ihm diese Tat Kraft gegeben. »Mir gefällt’s«, sagte er mit einem Mal überzeugt und hängte die schwarze Scheide an einen Haken der Halterung.
    Nun gab es viel zu tun. Flaschen mussten poliert und zurück an ihren Platz gestellt werden. Das Mittagessen wollte zubereitet werden. Dann war der Abwasch an der Reihe. Eine Zeitlang ging es heiter zu, auf eine angenehme, geschäftige Art und Weise. Die beiden plauderten bei der Arbeit über Kleinigkeiten. Zwar gingen sie viel hin und her, aber es war offensichtlich, dass es ihnen widerstrebte, das fertig zu stellen, was sie schon beinahe erledigt hatten, so als fürchteten sie den Augenblick, wenn die Arbeit getan und der Raum wieder von Stille erfüllt war.
    Etwas Erstaunliches geschah. Die Tür ging auf, und Lärm strömte ins Wirtshaus. Leute eilten herein, redeten und luden Gepäck ab. Sie suchten sich Tische aus und warfen die Mäntel über Stuhllehnen. Ein Mann in einem Kettenhemd schnallte sein Schwert ab und stellte es an eine Wand. Zwei oder drei Männer trugen Dolche am Gürtel. Vier oder fünf andere bestellten lautstark etwas zu trinken.
    Kote und Bast sahen dem ganzen Treiben einen Moment lang zu und machten sich dann an die Arbeit. Kote schenkte lächelnd Getränke aus. Bast eilte nach draußen, um nachzusehen, ob Pferde in den Stall gebracht werden mussten.
    Zehn Minuten später war das Wirtshaus buchstäblich nicht mehr wiederzuerkennen. Münzen klimperten über den Tresen. Käse- und Obstplatten wurden aufgetragen, und in der Küche hing nun ein großer Kupferkessel über dem Herd und wurde zum Köcheln gebracht. Männer verschoben Tische und Stühle, damit die fast ein Dutzend Personen umfassende Gruppe besser beisammensitzen konnte.
    Kote hatte sie schon registriert, als sie hereinkamen. Zwei Männer und zwei Frauen, Fuhrleute, wettergegerbt und froh, mal einen Abend aus dem Wind herauszukommen. Drei grimmig dreinblickende Wachen, die nach Eisen rochen. Ein schmerbäuchiger Kessler, dessen munteres Lächeln seine wenigen verbliebenen Zähne entblößte. Zwei junge Männer, einer rotblond, der andere dunkelhaarig, gut gekleidet und höflich: Reisende, die so vernünftig waren, sich zum eigenen Schutz unterwegs einer größeren Gruppe anzuschließen.
    Der Bezug der Gasträume dauerte ein, zwei Stunden. Es wurde um Zimmerpreise gefeilscht. Über die Frage, wer mit wem das Bett teilen sollte, wurde freundschaftlich gestritten. Aus den Wagen und Satteltaschen brachte man das Nötigste herein. Bäder wurden bestellt und Wasser erhitzt. Die Pferde wurden mit Heu versorgt, und Kote füllte sämtliche Öllampen auf.
    Der Kessler eilte hinaus, um das letzte Tageslicht zu nutzen. Er zog mit seinem zweirädrigen Maultierkarren durch den Ort. Kinder umringten ihn, bettelten um Süßigkeiten, Geschichten und Kleingeld.
    Als klar wurde, dass bei ihm nichts dergleichen zu holen war, verloren die meisten das Interesse. Sie bildeten rings um einen Jungen einen Kreis und begannen zum Rhythmus eines Kinderliedes zu klatschen, das schon uralt gewesen war, als ihre Großeltern es in ihrem Alter gesungen hatten:
    Nimmt das Feuer Blauton an,
    Oh, was dann? Oh, was dann?
    Aus dem Haus. Schnell hinaus.
    Lachend versuchte der Junge aus dem Kreis auszubrechen, und die anderen Kinder

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